3. Mai 2016

der Berg ruft nicht



Bergfotografie erweckt oft den Eindruck ...

Ich habe gesündigt, denn für die Überbrückung langer Fahrten mit der S-Bahn spendete ich wieder einmal 10 Euro an die bedürftigen Fotoesote­ri­ker von Heise. Wer einen Workshop, der natürlich im Heft nicht stattfand, so einleitet, der hat wenigstens vom Schreiben keine Ahnung.

... dass die wirklich guten Fotos nur mit viel Glück entstehen – der Fotograf war halt zufällig zum optimalen Zeitpunkt am richtigen Ort. Dabei ist meist das Gegenteil der Fall: Mit guter Planung lassen sich viele gute Motive schon vorbereiten und vorhersehen.

Fast alle guten Fotos entstehen mit viel Glück, auch die gut geplanten und vorbereiteten. Das ist Stuß, den Hans Sterr da aufschreiben mußte.

Man kann zwar schnell mal gen Alpen düsen, da eine Weile rumhirschen, das alles mittels Internet planen und vorbereiten, letztlich bekommt man aber genau die Bilder, die zur Zeit der Anwesenheit machbar waren, egal, wie gut die Planung war. Da unterscheiden sich Profi und ambitionierter Hobbyfotograf genau nicht.

Als Hobbyfotogaf mit schmalem Geldbeutel und begrenztem Zeitfond hat man keine Wahl. Ist man in den Bergen, wird alles fotografiert, was nach gelungenem Motiv aussieht. In der Nachschau wird man dann sehen, welche Bilder was geworden sind.

Als Gelegenheitsbergsteiger und -wanderer ist man nämlich oft genug von externe Faktoren abhängig, auf die man keinen Einfluß hat. Wanderfüh­rung mit geplanter Standardroute in kleineren Gruppen. Damit haben sich alle Motive erledigt, die auf blaue und goldene Stunde abzielen, denn unter solchen Bedingungen, eine Tagestour absolvierend, wirkt der Rat­schlag des Bergerotikers, äh -esoterikers, geradezu abstoßend und dequa­lifiziert ihn als ernstzunehmenden Ratschläger, es sei denn, man begreift, daß Ratschläge letztlich auch nur Schläge sind.

Für den bleiernen Schleppgang unter mittäglicher Sonne empfiehlt der Alpenclown (S. 66):

... die Kamera mittags in der Tasche zu lassen.

Die Empfehlung der Redaktion Bergwandern des Blogs hingegen lautet: Es wird solange fotografiert, bis Akku, Speicherkarte, der Wanderer oder alle zusam­men schlapp machen. Wer weiß schon, ob man den Ort jemals wieder­sehen wird.

Der Anmerker wurde dieser Tage ob seines voluminösen 1684-Gramm-Boliden mehr­fach gefragt, ob er Profifotograf ist, oder ob er für den Abend engagiert war. Nein, antwortete er, er sei auch nur Partygast, der Foto­grafie ausschließlich zum Privatvergnügen betreibt. Weil es Spaß macht. Auch wenn er nicht engagiert wurde, sei er es. So ein Training Day ist nämlich gar nicht so schlecht, obwohl immer noch ein Handwagen Anti­hustendope hinter sich hergezogen werden muß und die Teilnahme an der Party aus dieser Sicht der Gesundung abträglich war.

Doch wenn man seit langer Zeit wieder mal Gelegen­heit in Schnappschuß­foto­grafie bei gegebenen schlechten Lichtverhält­nissen hat (available light), dann packt man die Gelegenheit beim Schopf, ohne Stativ, Blitzlicht und Zusatzbeleuchtung den Tanz in den Mai aus der Hand zu fotogra­fieren. Und weil ich genau zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle, für eine zurückhaltende Pianistin, höflichst die Gesprächsrunde vor dem Klavier auflöste, damit es von ihr zur Gästebespaßung genutzt werden konnte, gelang auch ein lucky Shot, der mit Betteln, gut Zureden, Posen, Training, Modelfotografie usw. so nie gelungen wäre. Der euphorische Dank der Gesangslehrerin für dieses schöne Geschenk war der Anstren­gung Lohn.

In den Bergen hirschen keine Helmut Newtons rum. Warum sich das bei den Alpenjodlern immer noch nicht rumgesprochen hat, bleibt ein Rätsel des kleinen Bergvolkes im Süden.