9. Februar 2009

Afghanistan geht so, Herr Schröder

»Das Vertrauen war schnell verspielt«

Sowjetischer Veteranenfunktionär sieht militärisches Eingreifen in Afghanistan als Kardinalfehler

Die USA machen in Afghanistan heute die gleichen Fehler wie vor 20 Jahren die sowjetische Führung. Das meint Wladimir Kostjutschenko. Der frühere Kampfhubschrauberpilot ist heute Erster Vizepräsident der Union der Afghanistan-Veteranen.

»Die Sowjetunion hatte vor dem Einmarsch in Afghanistan sehr viel gebaut, daher hatten wir zunächst einen Vertrauensbonus. Damit war es jedoch zu Ende, als wir militärisch in die innerafghanischen Auseinandersetzungen eingriffen. Das hätten wir als Fremde nicht tun dürfen, und damit haben wir die Menschen gegen uns aufgebracht. Sogar hoffnungslos miteinander verfeindete Warlords haben ihre Konflikte damals zurückgestellt und sich für den Kampf gegen uns zusammengeschlossen.«

Mit Waffen, meint Kostjutschenko, könne man in Afghanistan »vom Prinzip her nichts ausrichten«. Auch die Verquickung von militärischen Komponenten und Wiederaufbau, wie sie die NATO betreibt, sei daher nicht nur nutzlos, sondern auch gefährlich. Chancen, sich die Afghanen wirklich zu Freunden zu machen, habe nur, wer sich bemüht, ihre Mentalität zu verstehen, ihre Sitten zu respektieren und ihre Sprache zu lernen. Erst dann könne man versuchen, sie »für die Errungenschaften der Zivilisation« zu begeistern.

Definitiv verscherzt hätten sich die US-Amerikaner heute wie damals die Russen die Sympathien der Afghanen durch »idiotische Befehle«, bei denen vor allem unschuldige Zivilisten ums Leben kamen. »Um den Nachschub für die Mudschaheddin zu blockieren, der vor allem über Pakistan abgewickelt wurde, durften Wagen, die von dort kamen, nur eine streng festgelegte Route durch die Registon-Wüste befahren. Auf jeden, der von der Piste abkam, mussten wir sofort das Feuer eröffnen. Ohne Befragung des Fahrers und ohne Kontrolle, ob die Fracht tatsächlich für die Glaubenskämpfer bestimmt war.« Dazu käme, so Kostjutschenko, dass die US-Einheiten ihren Krieg in Afghanistan vor allem »per Knopfdruck, mit Maus und Tastatur« führen würden. Damit würden personelle Verluste, »um die unsere Generale sich nie besonders scherten«, zwar minimiert, die Afghanen würden diese Taktik jedoch als »besonders hinterhältig« empfinden und sich dafür mit Diversionsakten rächen.


UMFRAGE

Die Stimmung in Afghanistan schlägt in Hass um

9. Februar 2009, 13:14 Uhr

In der afghanischen Bevölkerung herrscht einer Umfrage zufolge eine hoffnungslose bis explosive Stimmung. Nur noch eine Minderheit glaubt daran, dass sich das Land in die richtige Richtung bewegt. Fazit der Studie: Der Westen hat den Kampf um die Herzen und Köpfe der Afghanen vorerst verloren.

Angesichts der alltäglichen Erfahrung von Krieg, Gewalt, Korruption und Armut sei auch das Vertrauen in die USA und die Nato in Resignation, Ablehnung und in wachsendem Maße Hass umgeschlagen, lautet das Ergebnis der repräsentativen Befragung des „Afghan Institute for Social and Public Opinion Research“. Auftraggeber waren die Sender WDR/ARD, ABC und BBC.