20. August 2011

Marxismus aus der Bibelstunde

Ich habe für morgen früh ein paar Zettel aus dem Internet in der Papierablage des Druckers liegen, kann mich zu denen insofern noch nicht äußern. Da Zettel dies jedoch bereits heute tat, sei wenigstens zu seinem Kommentar eine Bemerkung gestattet.

Diese Vorstellung vom unschuldigen Schimpansen ist eine Variante des Glaubens an den Edlen Wilden in der Tradition Rousseaus, an die friedliche "Urgesellschaft" der Marxisten, gar an ein Ur-"Matriarchat".

Die Natur, der ursprüngliche Mensch werden in dieser Mythologie als gut angesehen; das Böse wird als etwas gedeutet, daß erst durch die Kultur (im Marxismus: die Arbeitsteilung; im Feminismus: die Herrschaft des Mannes) in die Welt kam...

Das war und ist die Grundlage der Ideologie, unter deren Herrschaft das Böse im Menschen schreckliche Triumphe gefeiert hat; von Lenin und Stalin über Mao und Pol Pot bis Kim Jong-il.


Ich habe keine Ahnung, wo und wie Zettel seine fundierten Kenntnisse über den Marxismus erworben hat. Möglicherweise in der Bibelstunde oder aus der BILD, was auf das Gleiche hinausläuft. Ich jedenfalls, da in der DDR Studierter, habe meine Kenntnisse über den Marxismus durch ordentliche Studienabschlüsse und Sozialisiation erworben. War in der DDR nunmal so und kann ich nicht ändern.

Mir ist nicht bekannt, daß Marx und Engels den Ursprung des modernen Menschen, der Zivilisation, anders als aus der Barbarei heraus betrachtet haben, diese auch nicht als friedfertige und gute Entwicklungsstufe der Menschwerdung betrachteten, sondern als das, was die Barbarei war, barbarisch. Mir ist bis heute auch nicht bekannt gewesen, daß Marx oder Engels jemals behauptet hätten, das Böse sei der Menschheit durch die Arbeitsteilung übergeholfen worden. Als das Thema im Studium dran war, hab ich entweder gepennt oder geschwänzt.

Gut und Böse, das waren keine Kategorien, die die beiden interessiert hätten, weil sie für die Betrachtungen, die sie anstellten, ohne Bedeutung waren. Hängen geblieben ist bei mir jene Passage, die Marx seinem 1. Band des Kapital voranstellt.

Zur Vermeidung möglicher Mißverständnisse ein Wort. Die Gestalten von Kapitalist und Grundeigentümer zeichne ich keineswegs in rosigem Licht. Aber es handelt sich hier um die Personen nur, soweit sie die Personifikation ökonomischer Kategorien sind, Träger von bestimmten Klassenverhältnissen und Interessen. Weniger als jeder andere kann mein Standpunkt, der die Entwicklung der ökonomischen Gesellschaftsformation als einen naturgeschichtlichen Prozeß auffaßt, den einzelnen verantwortlich machen für Verhältnisse, deren Geschöpf er sozial bleibt, sosehr er sich auch subjektiv über sie erheben mag.

Was die ideologischen Grundlagen des Bösen im Menschen betrifft, und die Triumphe, die damit abgefeiert wurden, da könnte ich noch einige ergänzen, mache es aber nicht, denn „Mit zunehmender Länge einer Online-Diskussion nähert sich die Wahrscheinlichkeit für einen Vergleich mit Hitler oder den Nazis dem Wert Eins an.“ (Mike Godwin bzw. Godwin's Law)

Ich habe einen kleinen Erfahrungsvorsprung vor Zettel. Ich war in Vietnam auf jenen Feldern, über denen amerikanische Bomber Agent Orange zur Flurbereinigung versprüht haben. Ich war in Vietnam in Hospitälern und habe die Opfer des Krieges gesehen (und fotografiert).

Wie gesagt, Ideologien, mit denen das Böse im Menschen Triumphe feiert, die gibt es wie Sand am Meer. Die Begrenzung auf Marxismus und Feminismus, bei dem ich mich nicht so gut auskenne, ist daher armselig, möglicherweise sogar bösartig gemeint.