12. Juli 2009

Krachgarten

Ich dachte die ganze Zeit daran. Sowas müßte man haben. Ein Garten zum Krach machen. Nicht wie früher, als ich noch Stift war und wochenendlich zum Garten latschte oder radelte (28er Diamant-Rad).

Krachgärten habe ich damals schon kennengelernt. Einer der entfernteren war der Meinung, die Gegend mit dem RIAS-Treffpunkt beschallen zu müssen. Ich dagegen wollte Helga Hahnemann mit ihrer Kodderschnauze hören. Die war mir allemal lieber als das süffisante schleimige Angebiedere der RIAS-Schnauzen. Die Musik war eh die gleiche.

Oder war's der Oertel mit "He He He - Sport an der Spree"?

Krachgarten habe ich also eher in unguter Erinnerung.

Trotzdem stürzte ich mich in das anhaltende Chaos der Berliner S-Bahn, staunte wiederum über die Gelassenheit des leicht betäubten jungen Volkes, das sich im 20-Minutentakt und verkürzten Zügen in den großen Freilichtbühnengarten in der Wuhlheide zum Absingen einstudierter Lieder einfand.

Farin Urlaub hatte in seinen Krachgarten eingeladen und alle waren gekommen. Alle Berliner, die einen ausgewiesen guten Musikgeschmack haben, wie er meinte. Alle sicherlich nicht, denn etliche wollten sicherlich, hatten aber Kartenpech und keine mehr erwischt.

Schon vor 8 Tagen in den Genuß wohlfeiler Beschallung mit deutschen und internationalen Volksliedern jüngeren Datums gekommen, stellte sich dies mit einigen Unterschieden gestern nicht anders dar. Farin Urlaub sang nur deutsches Liedgut. Und verzichtete auf einen Panikstreifen im Innenraum, den die Hosen wohl aus leidlicher Erfahrung vorige Woche ca. in der Hälfte hatten einziehen lassen.

Das Pogen und die von FU dirigierten Leibesübungen sahen von oben demzufolge weitaus besser und imposanter aus.

Es ist müßig, einen Vergleich anzustellen, was besser war. Minimal die Hosen, würde ich sagen. Die Stimmung im Innenraum war gestern besser. Farin ist nur ein Drittel der Ärzte, also nicht die Ärzte. Das Publikum des Farin U war dem Eindruck nach deutlich jünger als vor einer Woche die Vorrentengeneration.

Vor einem dreiviertel Jahr sagte ich zu einem B.E.S.T - Sicherheitsmenschen noch, für mein Gefühl hat Farin seinen Damen ein paar ordentliche Bühnenkracher auf das Album gezaubert. Das müßte eigentlich richtig gut kommen. An seiner Stelle würde ich an dem tag jobben gehen.

Und so kam es. Es wurde an den Gitarren gezupft, die Trommelfelle malträtiert und sich die Lunge aus dem Leib geblasen (etwas zu viel), daß es eine helle Freude war.

Die besten Momente waren wohl die beiden stillen Momente des Konzerts, "Die Leiche", ein typischer Urlaubssong, und "Phänomenal egal".

Ja, da hat das Mischgehölz im Pionierpark "Ernst Thälmann" binnen 8 Tagen vor Ehrfurcht wie Espenlaub gezittert. Nicht schlecht, sprach der Specht und hackte im Takt sein Nest ins Holz.

Auf dem Heimweg hatte ich diesmal Glück, erwischte die erste S-Bahn in die Stadt und demzufolge meine Anschlüsse besser.

Nach kurzem Schlaf fühle ich mich heute voller Tatendrang, könnte die rote Fahne aus dem Keller holen und gen Demo für was auch immer marschieren. Aber da seit ca. einer Woche wieder mal die Sonne scheint, heißt es dann doch:

aber Fahnen schwenken, schießen, sterben,
und Parolen rufen auf den Stufen des Reichstag
nee, das ist erstmal verschoben
also bleib ich noch ein bißchen hier im Garten
und die Revolution muß warten.


Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

P.S. 1: Ein gewaltiger Minuspunkt überschattet die gestrige Darbietung. Genau dieses Konzert hätte ich natürlich auch für 10 Ocken online zum download erworben. Das ist es, was die Toten Hosen allen anderen voraus haben.

P.S. 2: Ich habe gestern für 80 Meter Einlaßstrecke 70 Minuten benötigt. Die Einlaßlogistik der Wuhlheide war schon immer zum Erbrechen. Gestern besonders. Da half es auch nicht, daß mir ein jugendlicher Mitbürger mit hoher Sozialkompetenz einen Joint zur Überbrückung der Wartezeit anbot. Hab ich nicht genommen, denn erstens war der schon durchgesabbert und dann sah der Bursche auch sie aus wie ein Joint. So sehe ich aber auch ohne Joint aus, also brauche ich das nicht, hab ich kurzerhand entschieden.

P.S. 3: Ich habe gerade fertig. Den download eines Krachgarten-Bootlegs. In flac. Von Kill Them All. Kann mit der Profiqualität meiner beiden Hosen-Mitschnitte nicht mithalten.

P.S. 4: Concert-Online bietet auch seit kurzem Sticks zweier Ärzte-Mitschnitte an. Allerdings sind 40 Euronen nicht ohne.