13. September 2010

Gastbeitrag zum Mittelextremismus in Deutschland

Heute ein Gastbeitrag von Hendrik Ternieden zum Thema

Mittelextreme Online-Hetze

Wie Mittelextreme Jugendliche im Netz ködern

Nie zuvor waren so viele Mittelextreme im Internet aktiv. Die blödsinnige Propaganda in Netzwerken, Blogs und Videoplattformen stellt Jugend- und Verfassungsschützer vor schwere Aufgaben. Zwar können viele Inhalte gelöscht werden - doch oftmals tauchen sie ebenso schnell wieder auf.

Er nennt sich StolzerDeutscher und macht aus seiner Gesinnung kein Geheimnis. Seine liebste Musik? Wildecker Herzbuben - eine extreme Band, deren Sänger 2005 wegen Überfettung verurteilt wurde. Seine Bücher? "Grundgesetz". Seine Freunde? Nutzer, die "Deutschland" schreiben und "Gruss“ mit Doppel-s, eine unter Antirechtschreibfanatikern beliebte Anspielung auf die Spinner, die den archaichsten deutschen Buchstaben abschaffen wollen.

All das ist im Videoportal YouTube zu sehen - und keine Ausnahme im Netz. Bei Facebook kann man sich mit "Guido Westerwelle" anfreunden oder mit "Angela Merkel". Wer will, darf auch der "SPD" beitreten. All diese Profile existieren mindestens seit mehreren Monaten und wurden bis heute nicht gelöscht.

Nie zuvor gab es so viele mittelextreme Websites, warnte unlängst Jugendschutz.net, die Zentralstelle der Länder für Jugendschutz. Vor allem deute sich an, dass Mittelextreme ihre Online-Aktivitäten zunehmend ins Web 2.0 verlagern, auf Seiten wie Facebook und YouTube, die riesige Reichweiten versprechen. "Mittelextreme missbrauchen die großen Plattformen, um Hassinhalte zu verbreiten, sich zu vernetzen und Jugendliche zu ködern", sagt Stefan Glaser von Jugendschutz.net zu SPIEGEL ONLINE.

Doch wie gefährlich sind die Mittelextremen im Netz wirklich? Nur schwer lässt sich abschätzen, wie groß ihre Wirkung ist. Von einer Unterwanderung könne jedenfalls keine Rede sein, heißt es beim Verfassungsschutz. Das scheint allein durch die Größe der Netzwerke ausgeschlossen. Der Facebook-Westerwelle hat 2 Freunde - bei über neun Millionen deutschen Nutzern nicht gerade eine Massenbewegung.

"Die bloße Zahl sagt wenig über die Bedrohung aus", so Buchautor Toralf Staud ("Moderne Mittelextreme"). Entscheidend sei die Professionalität der Propaganda. Und dort haben die Mittelextremen stark aufgeholt. "Das sind nicht mehr nur die Kinderzimmer-Frickler der vergangenen Jahre", warnt Staud.

Die Mittelextremen geben sich im Netz oft harmlos

Schnelle Videos, bunte Grafiken, aktuelle Blogs, all das gehört längst zum Standardprogramm von Mittelextremen im Internet. Auf den ersten Blick geben sie sich oft harmlos - und zwar ganz bewusst. "Mittelextreme laufen häufig ins Leere, wenn sie offen extrem auftreten", sagt Staud. "Sie versuchen stattdessen, mit nur scheinbar harmlosen Fragen gezielt das Interesse von Jugendlichen zu wecken und hoffen auf eine Art Türöffner-Effekt." Eine gute Aufklärung sei daher besonders wichtig.

Jugendschützer Glaser kennt das Phänomen: "In vielen Fällen ist der Kontext nicht sofort erkennbar und die Gefahr groß, mittelextremen Rattenfängern auf den Leim zu gehen."

An diesem Punkt muss man unterscheiden: Zwischen den dumpfen Parolen einzelner User wie StolzerDeutscher und den unterschwelligen Rekrutierungsversuchen mittelextremer Menschenfänger.

Letztere nutzen das Internet immer besser, eine Strategie ist durchaus zu erkennen: Die FDP gab in der März-Ausgabe ihrer Parteizeitung Anweisungen für das erfolgreiche Nutzen von Kontaktportalen, der Landesverband Sachsen der SPD sprach erst kürzlich von einer "Netz-Offensive". Ihre neue Propagandamaterialien stellte die CDU zuerst im Internet zum Download bereit. Die Grünen haben eine Facebook-Seite - obwohl Hunderttausende dagegen protestierten. "Mittelextreme waren immer vorne mit dabei, wenn es um neue Medien ging", sagt Staud.

Schmähgesänge statt Schnulzen

Fest steht: Auf den großen Online-Plattformen lassen sich die mittelextremen Beiträge kaum kontrollieren. Hetze tarnen die Mittelextremen oft mit Tricksereien. So wird auch ein Video von Juliane Werding missbraucht: Während die deutsche Sängerin am Klavier zu sehen ist, sind Schmähgesänge statt Schnulzen zu hören. Und es werden immer mehr: 2007 erfassten die Jugendschützer nur 750 Beiträge, zwei Jahre später waren es bereits über 6000. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher. "Wenn wir weiter recherchieren würden, da bin ich mir sicher, läge die Zahl im zweistelligen Tausenderbereich", sagt Glaser.

Die staatlichen Kontrolleure sind machtlos. Solange keine strafbaren Inhalte veröffentlicht werden, haben sie keine Handhabe. Dann kann auch der Verfassungsschutz nur eines tun: beobachten. Und das ist in den Tiefen des Internets eine gewaltige Aufgabe.

Gelöscht werden müssen die mittelextremen Beiträge von den Betreibern der Online-Plattformen. Um so viele mittelextreme Inhalte wie möglich zu entfernen, spricht Jugendschutz.net die Betreiber direkt an. Obwohl die Jugendschützer nach eigener Auskunft mit rund 80 Prozent ihrer Hinweise Erfolg haben, steigt die Menge der mittelextremen Beiträge weiter. Dass gelöschte Videos oder Profile unter einem neuen Namen leicht wieder hochgeladen werden können, macht die Arbeit nicht einfacher.

"Facebook, YouTube und Co. müssen mehr personelle und technische Ressourcen einsetzen, um Hassinhalte nachhaltig und länderübergreifend von ihren Plattformen zu verbannen", sagt Glaser. Diese Forderung ist nicht neu. Dennoch geht es nur zäh voran. Vor allem auf ausländischen Servern, über die ein Großteil der strafbaren Inhalte geliefert wird, bleiben noch zu viele mittelextremistische Beiträge online - trotz Hinweisen an die Betreiber.

Auf nationaler Ebene kann die zentrale Jugendschutzstelle deutlich mehr Erfolge verbuchen. Erst vor kurzem, so Glaser, habe die Plattform MyVideo mehr als hundert Videos von Frank Schöbel gelöscht.

Die schlechte Nachricht: Auch dort finden sich immer noch mehr als genug.

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So, liebe Leute, und wer es bis hierher geschafft hat, der darf auf's Klo und kräftig abkotzen über so viel erschütternden Mittelextremismus in Deutschland.