9. Dezember 2011
Leyendecker auf konspirologischem Trampelpfad
Ei der Daus, dachte ich vor ein paar Tagen, jetzt hat dir der Leyendecker aber eine hübsche Lektion erteilt, indem er mich der Konspirologie zichtigte und mir ein paar Zitate aus dem Buch der Leviten an den Kopf warf.
Die Unübersichtlichkeit des Monstrums, das sich "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) nannte, ziehe die Konspirologen an, meint ein Fahnder. Kern ... sei die Vermutung, dass einer der Nachrichtendienste doch stärker involviert gewesen sein müsse... Um die vorgebliche Komplizenschaft mit den Killern nicht auffliegen zu lassen, seien die beiden Mörder womöglich erschossen worden...
Große Fälle wie der Fall NSU üben eine magische Anziehungskraft aus - dabei schreibt in aller Regel die Realität die schlichteren Drehbücher.
Stellen wir uns als erstes die Frage, was an dem Aufmacher von Leyendecker unstimmig ist und beantworten sie ausnahmsweise auch gleich. Nach dem letzten Stand der Veröffentlichungen zur NSU soll der eine Uwe den anderen Uwe erschossen haben, um sich dann zu suizidieren. Genaugenommen haben wir es also mit einem Mord und einem Selbstmord zu tun. So viel journalistische Sorgfalt sollte dann doch walten, wenn man sich der magischen Anziehungskraft der BAFNSU stellt.
Die Realität mit ihren schlichten Drehbüchern sieht dann so aus. Kehren wir kurz nach Bad Kleinen zurück, jenem tristen Ort in der norddeutschen Tiefebene, an dem Leyendecker seine Meriten als investigativer Journalist erwarb, indem er nach einer Schießerei zwischen einem RAF-Mitglied und Polizisten der GSG-9 einen offenbar verstörten Polizisten aufgabelte und ihm Gelegenheit gab, sich sein Herz an seinem Schreibtisch auszuschütten, damit dieser derart seelengereinigt wieder seinem polizeilichen Handwerk nachkommen konnte.
So sah die schnöde Realität damals aus, wie sie Leyendecker uns hinterließ, der kaltblütige Mord an einem unbescholtetenen Berufsrevolutionär durch aufgesetzten polizeilichen Kopfschuß.
Nun schlage ich heute das Internet auf und blätter etwas drin rum, doch ich finde nichts, was von Interesse ist, denn mein reader wurde von einer Meldung zugekleistert, die alle abschreibenden Qualitätsmedien gleichermaßen aufgriffen und mit großer Begeisterung auswalzten. Ich klickerte mich also den konspirologischen Trampelpfad entlang und landete schlußendlich bei der Sueddeutschen, im Schreibbüro von Leyendecker.
Der hatte seit seiner Abwatsche für alle Verschwörungstheoretiker Tag und Nacht recherchiert, um der deutschen Medienlandschaft doch noch die Sensation zur NSU schlechthin präsentieren zu können. Er ist es schließlich Pulitzer, Grimme und seinem investigativen Ruf schuldig.
Der Fahnder, der Leyendecker schon etwas Nachhilfe in Konspirologie gab, siehe oben, der hat noch viel weiter in der Büchse aktuellem Ermittlungsstandes gewühlt und ein paar richtig fette Würmer rausgepopelt, auf die ein Fisch namens Leyendecker natürlich sofort ansprang. Solch fetten Happen läßt der sich kaum entgehen. Und womit überaschte er mich heute, auf daß ich förchterlich erschruk? Mit einem Kapitel in Solltologie*.
sueddeutsche 09.12.2011, 06:09
Ermittlungen gegen die Zwickauer Zelle
Nazis im Westen sollen Terror-Trio geholfen haben
Von Hans Leyendecker
Die mutmaßlichen Mörder der Zwickauer Terrorzelle sollen im Westen Unterstützer gehabt haben.
Ist das nicht ein echter Hammer? Vor drei Tagen verteufelt er noch alles Konspirologische, um nun selber das Pferd von der Ermordung der Zwickauer Terrorzelle zu reiten, ohne uns mitzuteilen, wer diese mutmaßlichen Mörder sind. Doch das hatte er ja bereits vor drei Tagen. Laut Theorie waren es die Geheimdienste, die ihre Komplizen ermordeten. Siehe oben.
Welche Unterstützer im Westen die Zwickauer Terrorzelle ermorden ließen, kann in diesem konspirologischen post nachgelesen werden.
Den Rest des neuesten konspirologischen Meisterwerkes, das dem edlen Füllfederhalter Leyendeckers enttröpfelte, in dem die Ermittler manchmal Ermittler und manchmal Fahnder heißen, den lest euch bitte selber durch, denn
Der Zeuge habe nur über den Zeitraum gesprochen, der für ihn strafrechtlich ohne Konsequenzen bleibe.
Ich geh jetzt in den Buchladen und kauf mir einen guten Krimi.
-----
* Solltologie - Wissenschaftsabkömmling, der sich mit der Anreicherung journalistischer Texte mit Konjunktiven, Vermutungen und nebulösen Aussagen beschäftigt