1. Oktober 2014

Mittagskommentar: Die BRD ein Unrechtsstaat?

zona antifascista

Schlag 12 - der Mittagskommentar aus Berlin

Die BRD ein Unrechtsstaat? Aber sicher doch!

01. Oktober 2014, 12:00 Uhr

In München streiten Juristen nicht über die Zukunft – sondern über die BRD. Doch wer über rechtsstaatliche Alternativen zum Bestehenden nachdenkt, sollte sich nicht mit dem Merkel-Sozialismus abmühen.

Von DIE ANMERKUNG

Erstaunliches tut sich derzeit im kleinen Saal des Münchner Staatstheaters. Dort marschieren Richter, Ankläger, Verteidiger und Journalisten mit großen Schritten auf ein Verurteilung der Angeklagten zu – es wäre die erste in Deutschland mit völliger Übereinstimmung aller beteiligten Parteien. Beim wichtigsten Streitpunkt haben die Verhandler Einigkeit erzielt: bei der Frage, ob der NSU ein "Mords-Verein" war.

Es geht nicht um den "NSU per se", sondern es geht uns um das, wofür der NSU-Fake steht: Für die Abwesenheit von Rechtsstaat, von Demokratie, von Unschuldsvermutung, es geht um die Abwesenheit von korrekten Ermittlungen, es geht um den immensen Schaden für dieses Land, wenn nicht endlich gegengesteuert wird.

Naive Zeitgenossen könnten meinen, dass es in München Wichtigeres zu klären gäbe. Zum Beispiel, wie man die Volksaufklärung verbessern, die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen oder den Verfassungsschutz abschaffen könnte. Aber gut.

Entschließungsantrag
der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu der vereinbarten Debatte

Mordserie der Neonazi-Bande


Das Papier, auf das man sich geeinigt hat, ist in seiner geschraubten Sprache jedenfalls ein Dokument schönster Politiker-Lyrik – Höhepunkt ist der Satz "Menschen, die leugnen, dass es den NSU gegeben hat" dürfen in den Medien keine Rolle spielen.

Wer leugnet, dass etwas nicht war, kann nicht... So was nennt man wohl die Kunst der dreifachen Verneinung.

Gibt es in der BRD ein Verfassungsgericht? Nein, bzw. nur pro forma, denn an dessen Urteile hält sich eh niemand. Gibt es in der BRD Versammlungsfreiheit? Nein, denn die Ordnungsämter und Polizei dürfen jede Versammlung in ihrem Gustus gestalten. Gibt es freie Wahlen? Nein. Unabhängige Gewerkschaften? Nein. Kann man reisen, wohin man will? Nein, da oft das Geld dafür fehlt. Gibt es eine unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit? Nein, denn die entscheidet immer im Interesse des Staates. Überhaupt eine unabhängige Justiz? Nein. Kann man als Bürger seine Meinung einfach so auf ein Flugblatt schreiben und das am Reichstag hinlegen? Nein. Konnte man in der BRD ohne schwerwiegende Nachteile den Wehrdienst verweigern? Nein. Oder kann man eine Partei gründen, jenseits von CDU/CSU/SPD/Grüne/Linke Blockflöten-Vereinigung? Nein. Denn wenn du den AfD gründest bist du des Teufels. Oder kann man eine Umweltinitiative ins Leben rufen gegen den Dreck von Windkrafträdern und Solarfeldern? Nein.

Müsste man sich einen Unrechtsstaat malen, so käme mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Gebilde wie die BRD heraus. Manchmal sind Wahrheiten ganz einfach. Die Elbe ist ein Fluss. Wenn es regnet wird's nass. Und der erste Staat auf deutschem Boden ohne vom Volk verabschiedete Verfassung ist einer, in dem das Recht mit Füßen getreten wird, tausendfach, millionenfach, jeden Tag. Die BRD ist ein Unrechtsstaat. So einfach ist das. Und nicht mal schmerzhaft – vor allem für die Parteien und ihre Anhänger.

An den argumentatorischen Verrenkungen einer Merkel ist das schön abzulesen. Alles klar?

Ein Parteimitglied behauptete dieser Tage tolldreist: "In der BRD gibt es kein gesetzliches Unrecht." Die Hamburger Illustrierte schrieb schrieb: "'Unrechtsstaat' ist der hierzulande genutzte Begriff zur Delegitimierung der großen Koalition, der vor allem von Verschwörungstheoretikern genutzt wird."

Diese Wahrheit sieht so aus: Der Feldversuch "betreutes Leben" endet in einem kleingeistig-vermufften Spießerstaat, und das liegt nicht daran, dass es in der BRD überall Bananen gibt. Die BRD ist eine Verirrung. Nicht der stolze und freie Mensch führt das große Wort, sondern Komissköppe, Blockwarttypen, Apparatschiks und schmierige Anpasser, die vom Rest der Bevölkerung ständig demütigende Loyalitätsbekenntnisse abfordern.

Und die Delegitimierung der BRD? Die betreibt nicht der böse Bürger. Delegitimiert hat sich die BRD schon selbst und das sehr gründlich: finanziell bankrott hinterläßt sie verwüstete Städte, vergiftete Landschaften. Das einzige, was wirklich funktioniert in diesem Feldversuch "betreutes Leben" ist die tägliche Demütigung der Bürger, deren allumfassende Verblödung

Darf ein Deutscher, wie der Autor dieser Zeilen, so schreiben? Ja, das darf er - so, wie er ja auch hart und kritisch über die USA oder sonst irgendein Land urteilen darf, in dem er nicht aufgewachsen ist. Sind damit alle Biographien entwertet? Nein, natürlich nicht, es sei denn man bindet auch jetzt noch die eigene Identität an die der BRD. War in der "BRD" etwa alles gut, richtig und rechtens? Nein, natürlich nicht, aber das ist nicht das Thema, was früher einmal war.

In der ständigen Vergleicherei verzwergt sich die BRD sogar noch in der Rückschau – als bloß abgeleitetes Anhängsel der westlichen Siegermächte von 1945. Ist mit dem Etikett "Unrechtsstaat" jeder "Gesellschaftsversuch" auf ewig diskreditiert? Nein, es sei denn man versteht unter "Gesellschaftsversuch" immer und automatisch den Merkel-Staat.

"Wenn Kommunisten träumen", hieß ein großes Wandbild von Walter Womacka, das früher im Hauptfoyer des "Palastes der Republik" in Berlin, Haupstadt der DDR, hing. Anstatt ihre Energie darauf zu verschwenden, aus einem Unrechtsstaat einen "doch-nicht-ganz-Unrecht-Staat" zu machen, was mit der BRD sowieso nicht funktioniert, sollten Kommunisten vielleicht mal wieder anfangen, zu träumen. Es wäre spannend, zu erfahren, was dabei herauskommt. Deutschland braucht solche Träume.