10. Januar 2007
wie man falsche Bilder setzt
Demokratieverdrossenheit ist wie Schnupfen. Oder zu gut deutsch: der Bürger ist verschnupft, weil ihm irgendjemand etwas schlechtes (hier einen Schnupfenvirus) übergeholfen hat.
Das von der Vizepräsidentin des deutschen Bundestages gesetzte Bild suggeriert jedoch zwei vollkommen fehlerträchtige Sinnstränge.
a) AIDS ist a priori schlecht und gehört bekämpft (ausgerottet).
b) Die Demokratieverdrossenen sind Schuld, wenn des Immunsystem der Gesellschaft angegriffen wird.
Wenn, ich nehme das Bild mal so, Demokratie das Immunsystem der Gesellschaft ist, woran ich erheblich zweifel, dann ist das Immunsystem schon lange in einem sehr schlechten Zustand. Demokratieverdruß ist eine Folge von etwas, aber nicht die Ursache. Ursache ist die "demokratischer Verarsche" seitens der Politik. Oder noch präziser gesagt: das massenhafte soziale Elend, das maßgeblich von den Politikern qua Gesetzeskraft durchgeboxt wurde.
Ist halt wie im Kino. Einen coolen Film versprechen und Schrott auf die Leinwand zaubern. Wenn die Kinogänger dann in Scharen den Saal verlassen, dann kann man ihnen eigentlich nur einen einzigen Vorwurf anhängen: sie haben den künstlerischen Gehalt des Filmepos schlichtweg nicht verstanden.
Den Kinogänger scherts nicht. Der sagt sich nur, der Film ist Mist.
Oder: es ist schon sehr dreist, die Demokratieverdrossenen des Landes als AIDS-Viren der Bundesgesellschaft darzustellen und ihnen somit die Schuld für das marode Staatswesen in die Schuhe zu schieben.