29. August 2009

Die Waldbühne darf kein rockfreier Raum sein

Das dachte ich als aller erstes, als ich die Waldbühne betrat. Ein große Tafel wies darauf hin, daß man gefilmt werde und diese personenbezogenen Aufnahmen auch noch Verwendung finden. Man möge sich an das Einlaßpersonal wenden, falls man damit Probleme habe, aber die wüßten auch keine Lösung.

Pullern gehen für lau, Bratwurst holen für 3 (!) Euro und Platz suchen waren schnell erledigt.

Ich bekam noch das Ende von Ska-P mit, habe da jedoch kaum was verpaßt. Die vom Band eingespielten Punksongs zur Überbrückung der Umbaupause waren mir vertrauter und verbreiteten zuweilen mehr Stimmung im weiten Rund als die Clowns aus Spanien.

Spät, sehr spät meinte Campino, man wolle diese Entertainmentscheiße hier etwas aufwerten. Bekannt ist ja, daß die Waldbühne vorrangig für irgendwelchen Schlagerscheiß und so mißbraucht wird. Da kam ein bißchen Punkrock gerade recht. Und schaden kann es auch nicht.

Doch woher weiß das versammelte Auditorium, daß es gleich losgeht? Nun, aus Erfahrung. Zuerst kommt ein Einspieler des Stadiongesangs aus der Anfield Road, der nahtlos in den Blitzkriegsbop wechselt um in furiosem Krach zu enden. Und jetzt geht's los.

Die Waldbühne ist die Waldbühne. So verwundert es kaum, daß die Hosen schon 7 Wochen nach ihrem letzten Gig in Berlin noch einen drauf setzten. Zur Aufwertung der Show gegenüber der Wuhlheide bedurfte es nur geringügiger, aber gravierender Änderungen.

Die Setlist war fast die gleiche. Ein Titel war definitiv neu, den ich zum ersten Mal live gehört habe. Reisefieber.

Die Änderungen bestanden darin, daß die Band im Prinzip ohne Pause 2 Stunden und 15 Minuten durchspielte. Zum ersten Mal seit 10 Jahren habe ich einem Konzert gelauscht, das erst um 23 Uhr und 5 Minuten abgepfiffen wurde. Ich konnte mich noch sehr gut an eine wenig schmeichelhafte Laudatio Campinos auf den Berliner Senat und die bekloppten Anwohner am selbigen Ort erinnern, in der er sinngemäß meinte, wir müssen sehr schnell und zügig das Programm runterspielen, weil um 23 Uhr der Saft abgedreht wird. Haben sie schriftlich so beauflagt bekommen.

Gestern waren 5 Minuten mehr drin, was sicher etwas Taschengeld kosten wird.

Mir persönlich ist das schnuppe, denn wenn lärmende Kinder kein Lärm sind, dann sind es die krachigen Toten Hosen auch nicht.

Der Sound war prächtig. Das ist der natürlichen Gegebenheit geschuldet. Ein tiefer Meteoritenkrater oder eine Erdmantelfalte, die zufälligerweise excellente akustische Eigenschaften aufweist. Die Hosen brauchen nur spielen, dann wird es schon satt krachig. Nur ab und zu zerriß eine Windböe den akustischen Strom zu meinen Lauschern.

Aufgewertet wurde die Veranstaltung hosenlike durch die Gäste. Arnim von den Beatsteaks hampelte wie Genesis zu "Hand in Hand" über die Bühne. Für den Titel "Auflösen" war Birgit Minichmeyr vor Ort und gestattete am Ende des Songs ein Küßchen. Darf ich, hatte Campino allerdings vorab gefragt. Arnim hat sich gegen selbige Aktion Campinos vorher heftig zur Wehr gesetzt.

Zum Titel "Der letzte Kuß" schunkelte die Security im Panikgraben im Rhytmus. Deeskalationsstrategie vorbildhafter Art. Kann sich jede Polizeihundertschaft 'ne Scheibe von abschneiden. Vor allem lernen.

Zwischendurch wurden einige Bengalos gezündet. Mir schien, höchst offiziell, denn das geschah sehr professionell. Selbst Campino zündete bei seiner Klettertour auf's Bühnendach ein kleines Feuerwerk an.

Und die Jägermeister wurden seitens des Publikums mit einem kleinen Thaterstück abgefeiert, auf das selbst die Band auf der Bühne lachen mußte. 10 Fans wurde auf die Schultern des Publikums gehievt und jedesmal, wenn einem Jägermeister der Garaus gemacht war, fiel einer ins Publikum zurück.

Auch für die Waldbühne gilt, was das Motto der Tour und das oben erwähnte Statement Campinos zum Ausdruck bringen. Machmalauter ist hin und wieder ein Gewinn für die Ohren, eine sehr schöne Gehirnwäsche und wegen der sportlichen Hampelei auch ein ordentlicher Fitnessabend.

Eine habe ich jetzt noch. Eine Karte. Zu Weihnachten geht es nach Düsseldorf in die Heimat der Hosen. Ein Weihnachtskonzert wird dieses Jahr würdevoller Abschluß der Konzertsaison sein. Kampieren muß ich allerdings im Ausland. In Köln.

Und für alle, die es eh nicht interessiert. Die Toten Hosen haben ganz flink einen Gig (2.9.) im legendären SO36 eingeschoben, denn der steht vor dem Aus. Offensichtlich lassen sie bei Konzerten immer ein Küchenfenster offen, aus dem dann, für andere belästigend, wohlfeile Klangbilder entweichen.

In diesem Sinne. Die Waldbühne ist ein rockiger Raum. So sie ordentlich gerockt wird.