Kürzlich habe ich vom Ohrologen bestätigt bekommen, daß ich eigentlich sehr gut höre. In den tiefen und mittleren Frequenzbereichen. Bei 14 Khz müssen schon 90 dB aufgefahren werden, damit ich gerade noch so den Piepston wahrnehme.
Ich sag ja, wer schlecht hört, braucht sehr gutes Equipment, denn damit kann man das Gehirn trainieren. Abgesehen von den physikalischen (biologischen) Bedingungen der Schallweiterleitung am und im Menschen, findet die Zusammensetzung der Umgebungsgeräusche letztlich im Gehirn statt.
So gelüstete es mich, mir ein paar neue Kopfhörer anzuschaffen, die bequem zu tragen sind und den Klang aus einem trag- und hängbaren Musikabspielgerät möglichst unverfälscht den Weg ins Gehirn antreten zu lassen.
Das ist beileibe kein einfaches Unterfangen, auch wenn ich gründlich recherchiert habe.
Zur Wahl standen im Prinzip Kopfhörer mit aktiver Rauschreduktion, da käme für mich nur der Sennheiser in Frage, denn mein 7 Jahre alter PX300 liefert eigentlich immer noch einen sehr passablen Klang.
Oder aber einer der hunderten in-ear Kopfhörer mit passiver Rauschunterdrückung durch die paßgerechten Ohrpads. Oder Ohrtips.
Mein erster Anlauf war fast ein Fehlkauf. Das wird sich noch heraus stellen. Ein SHE 9800. Es lagen Silikonpads in drei Größen bei. Keine paßt sich so richtig meinen Gehörgängen an. Der Klang ist erstaunlicherweise super, wenn man mit den Fingern die Hörer in die richtigen Position drückt.
Nichtwissen schützt vor Schaden nicht. Denn zwei Tage später schmückten die SHE 9850 meinen Schädel. Ein leicht verbessertes design und foam earpads machen das Teil zum gleichen Preis wie die 9800 um eine ganze klangliche Klasse besser.
Der Grund ist ganz simpel, die foam pads passen sich elastisch dem Gehörgang an, so daß dieser stubenrein verschlossen ist. Der Klang kann unverfälscht seinen Lauf nehmen. Wenn die Größe der Pads stimmen würde. Die stimmt aber nicht. Und es liegt nur ein einziges Paar der Packung bei.
Im Grunde Produktmist, der da ausgeliefert wird, denn die wabbeligen Gummimuffen kann man gleich in den Müll hauen. Foam tips oder pads in drei Größen beizulegen, das wäre dem Produkt angemessen gewesen.
Nun hatte ich allerdings mit den 9850 schon ein kleines Experiment veranstaltet.
Ich bin ja (jetzt nicht mehr) im Besitz einer Menge Ohropax, was mir bei jedem Konzertbesuch kostenfrei überreicht wurde. Brauchte ich ja nie, da mein Tinnitus noch gut genug ist, den Radau unverfälscht entgegen zu nehmen.
Da Ohropax aber nichts anderes wie Silikon foam pads (oder tips) sind, kam ich auf die Idee, diesen mittig ein Loch zu verschaffen, einen Strohhalm durchzuschieben, alles paßgenau zu beschneiden und die Kopfhörer damit zu bestücken. Vielleicht verbessere ich mich ja. Außerdem ist Ohropax viel zu groß. Kann man also jeweils zwei Sätze aus einem Paar anfertigen.
Bei den 9800 bzw. 9850 scheitert es schlichtweg daran, daß es keine Trinkhalme in dem Durchmesser gibt, der paßgenau und wackelfrei auf den kleinen Kopfhörerzapfen paßt. Habe ich mir also eine Packung Caprisonne gekauft, denn da ist ein Strohhalm mit bei. Um das Prinzip zu testen, mußte ich den auf ganzer Länge einschneiden, dann läßt sich das Konstrukt auf den 9850 raufschieben, sitzt dann aber nicht ganz optimal im Ohr.
Die beigelegten starren Gummistöpsel haben noch einen Nachteil. Jedes Geräusch auf dem Kabel, schubbern an der Kleidung z.B., macht sich unangenehm im Kopfhörer breit. Mit den foam pads ist da absolute Ruhe.
Nun habe ich gestern ein paar Koss erworben, zum halben Preis obiger Hörer. Die haben 2 Satz pads mit bei. Die sind wiederum viel zu groß für meine Gehörgänge, so daß die nicht richtig abschließen und damit ein dumpfes Klangbild erzeugen (satter Baßklang, wie es auf der Packung heißt), daß stark von der HiFi-Anlage abweicht.
Mein Experiment habe ich mit den Koss noch einmal veranstaltet, weil die beigelegten pads für mich Schrott sind.
Also wieder Ohropax mit Strohhalm zurecht gefummelt und testgehört. Schau an, dachte ich mir, was die Dinger für einen passablen Klang abliefern, wenn die Paßstücke genau sitzen. So muß es sein. Nun verbleibt nur noch ein Stück Restarbeit, nämlich das Ohropax so zu beschneiden, daß es individuell auf den eigenen Gehörgang abgestimmt ist.
Im Nachgang stellte ich fest, daß man über eine amerikanische Firma bzw. Amazon Ersatzpads zu einem horrenden Preis ordern kann. Für die 9800 wären das "comply foam tips" T-400 bzw. Tx-400. Für die 9850 die Nummer T-100 bzw. Tx-100. Standardgröße kostet satte 20 Euronen.
Ein Bastelnachmittag kostet eine Caprisonne incl. Strohhalm, etwas Zeit und Fummelei. Ohropax kostet auch nicht die Welt.
Unterm Strich bleibt: wer schweinegute in-ears sucht, ist mit den 9850 bestens bedient, sofern er oder sie eine Lösung für die foam tips findet. Zur Not muß eben geordert werden, was ich auch getan habe, da es keine Strohhalme der erforderlichen Baugröße gibt.
Die Koss sind ebenfalls schweinegut, sofern man von vornherein die Bastellösung akzeptiert, denn da sind die Ersatzpads alle in der gleichen Größe, wie sie auch beilagen.
Unterm Strich verbleibt noch ein Fakt für eine positive Erwähnung. Lautstärke spielt keine Rolle mehr. Da kommt ordentlich Bumms raus und trotzdem wird der nachbar nicht belästigt, da geschlossene Bauweise und in-ear perfekt abgeschirmt.
Hab ich wieder eine Menge über die Mangelwirtschaft im Kapitalismus gelernt.
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22:30
Ich habe mir heute noch mal einige foam tips aus schnödem Ohropax in verschiedenen Größen und Längen angefertigt und durchgetestet. Manchmal kommt es doch auf Größe und Länge an. Das ist daszeitraubendste an der Geschichte. Man bekommt einen sehr guten Klang hin, muß aber mit den tips varieren und rumprobieren, der limitierende Faktor ist nämlich die Form der Ohrmuschel. Und die muß mit bestimmten Druck und in bestimmter Tiefe vom tip verschlossen werden.
Viel Spaß beim Nachbau. Für mich hat es sich gelohnt. Da es nur noch wenige Minuten bis Mittenacht sind, teste ich das alles gerade zu meiner vollsten Zufriedenheit mit gleichnamiger Kapellenmusik aus.
Kein EQ zugeschaltet. Lautstärkelimiter des IPod steht auf 50%. Sonst würde mir der Schädel platzen. Und der Klang ist sehr ausgewogen.
Wer also gute Kopfhörer braucht, der KOSS "Spark Plug" ist es, zuzüglich einmal Ohrstöpsel aus der Drogerie und eine Caprisonne zwecks Strohhalm.
Für Sport ungeeignet, da keine Bügel.
Jetzt warte ich noch auf die tips für 9850er. Das sollte dann eine Hörklasse besser ausfallen. Das weiß ich schon, benötige aber die originalen tips, da hier mangels Strohhalmdurchmesser keine Bastellösung möglich ist.