Nein, es ist nicht Lothar Bisky. Er hat ein treffliches Essay darüber verfertigt.
Der Kalte Krieg war die Blütezeit der Verdächtigungskultur, und alle, die da hofften, sie würde mit ihm verschwinden, gingen in die Irre...
Die Rechte freut sich diebisch. Sie hat, von den Rechtsextremen abgesehen, Hitler aus ihrer Geschichte entsorgt und Stalin gegen die Linke wiederbelebt: Die Enkel Hitlers siegen über die Enkel Stalins, und die Schabowskis werden auch die dritte Wendeschleife unbeschädigt drehen...
Seit zwei Jahrzehnten bin ich für die Vergehen von Lenin, Stalin, Ulbricht und Honecker verantwortlich und verdächtig, irgendetwas gegen das Grundgesetz im Schilde zu führen. Ich weiß, diese Verdächtigung wird bleiben...
Ich möchte mich aber ohne jegliche Verdächtigung mit anderen Linken über »Fragen moderner, also vorsorgender Gesellschaftspolitik« (Platzeck) verständigen können – und zwar unabhängig von der Bewilligung der Kriegskredite durch die SPD und den Verbrechen Erich Mielkes...
Die Geschichte bleibt. Sie lässt sich weder entsorgen noch »bewältigen« oder hinter Schlussstriche zwängen. Sie lässt sich aber diskutieren ohne verdächtigungskulturelle Hintergründe...
Die praktizierte Verdächtigungskultur heißt Denunziation. Denunziert wird zumeist nicht die Nachricht. Sondern die Denunziation bleibt am Überbringer der Nachricht kleben... Subtile Methoden gestatten erfahrenen Denunzianten, sich der Denunziation des einen durch Anbiederung beim anderen zugleich zu bedienen. Ideologische Scharfrichterei feiert heute gelegentlich im Internet fröhliche Urständ, als hätte es die verhängnisvolle Denunziationsgeschichte der Linken nie gegeben...
Eine Lehre daraus sollte sein: präzise mit Äußerungen, mit Texten umzugehen, den Humus für Verdächtigungskulturen austrocknen zu lassen. Es liegt in unserer Hand, aus derartigen Lehren denunziationsfreie Kommunikationsräume zu entwickeln.