Nachdem Wolfgang Niedecken mit seinem kindischen Mißbrauch an die Öffentlichkeit gegangen ist, habe ich endlich den Mut gefaßt, mich zu offenbaren.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ob es gestern gewesen wäre, daß ich als kleiner Junge in der SED-Diktatur von den FDJ-Schergen, also viel Älteren und Stärkeren als ich, gezwungen wurde, regelmäßig alte Leutchen zu belästigen, um ihnen ihre Zeitungen, Flaschen und Gläser abzuluchsen. Die geheime Aktion lief unter dem Tarnnamen "Timurhilfe". Ich wurde über den Verlauf der Aktion zu absolutem Stillschweigen verpflichtet und mußte dies im Kreis der Eingeweihten durch ein sogenanntes "Pionierehrenwort", der Kinderversion der Omerta, schwören.
Es kam oft vor, daß ich einen Handwagen mit Papier und Glas hinter mir herziehen mußte, für den meine Kraft bei Vollbefüllung gar nicht ausreichte. Ich hab mich ganz schön gequält und fühlte mich nach solchen Einsätzen wie erschlagen. Viel lieber wäre ich spielen oder Äpfel klauen gegangen. Das ging aber wegen diesem beknackten Pionierehrenwort nicht.
Dieser Mißbrauch hat bis ins Heute tiefe Narben in meiner Seele hinterlassen, denn nach wie vor sammel ich brav Papier und Flaschen und bringe sie zu den freiehitlich-demokratischen Sammelstellen, statt den Plunder einfach in den Müll zu befördern. Ehrenwort.