Unschuldig und leicht vertrieft radel ich gen Berlin, um mir eine neue "colorful graphics card" zu besorgen, da meine alte am Samstag Abend die Hufe hochgerissen hat.
Bereits beim Anradeln bemerkte ich einen langsam über mir kreisenden Hubschrauber. Der wird wohl gleich hier landen und jemanden abholen. War aber nicht an dem, der zog weiter seine Bahn am Himmel.
Einen guten Kilometer weiter wurde ich dann angehalten. Woher kommen sie, wo wohnen sie, machen sie bitte ihren Rucksack auf. Hab ich mein Woher erklärt und die Bemerkung hinterher geschoben, ob ich fragen dürfe, was hier los sei. Fragen dürfe ich, er empfehle mir allerdings, mich morgen mit einer Zeitung zu versorgen, da steht dann alles drin, jedenfalls mehr, als sie selber wissen.
Jetzt fehlt nur noch, sie empfehlen mir die BILD, dann schönen Dank auch. Da hat er nur gegrinst.
Jedenfalls stand alle 20 Meter ein Polizist mit schußsicherer Weste, etliche neutrale als auch echte Polizeiwagen patroullierten noch weit nach Berlin hinein. Hab ich meine Besorgungen erledigt und bin dann wieder zurück. Da war dann alles dicht. Keine Weiterfahrt auf meinem Fahrradweg, das gesamte Gebiet war für Rein und Raus abgesperrt, so daß ich eine weiträumige Umfahrung wählen mußte. Aber die kannten die Polizisten.
Im übrigen waren alle Polizisten sehr höflich, aber bestimmt. Keine Spur von Nervosität, Aufregung oder Anmotzerei. Das sei nebenbei erwähnt.
Als Radler schlüpft man dann aber trotzdem durch ein Abkürzungsloch. So traf ich auch auf das Dilemma. Etliche Polizeiautos, Zivilpolizisten, das Fernsehen ("Wir brauchen unbedingt noch eine Einstellung, wo der Hubschrauber schön zu sehen ist!") und Zuschauer.
Hat mich alles nicht interressiert, denn ich schaue nur selten anderen Leuten bei der Arbeit zu. Auch nicht der Polizei bei einem Amoklauf.
Ich bin dann klaglos durch die zweite Absperrung gekommen, hab die colorful graphics card eingebaut und nun geht wieder alles.
Warum ich das schreibe?
Weil es sich in den Qualitätsschreibeorganen so liest.
SPIEGEL ONLINE 07. Juni 2010, 10:33 Uhr
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,druck-699105,00.html
Polizeieinsatz
Bewaffneter Mann in Berliner Schule gesichtet
Aufregung an einer Schule in Berlin-Marzahn: Ein Mann soll sich dort mit einem Gegenstand gezeigt haben, der einem Gewehr ähnele, erklärte die Polizei und durchsuchte die Umgebung mit Hunden und einem Hubschrauber.
Von Aufregung an der Schule als auch in der näheren und weiteren Umgebung war weder etwas zu merken, noch zu spüren noch zu sehen. Business as usual bei Thürmann, Rewe, Penni, Straßenbahn usw. Und selbst an der Schule ging alles ruhig und gesittet über die Bühne. Wie es drinnen aussah, weiß ich nicht, aber die Medien berichten ja von an der Schule.
Die BILD darf natürlich nicht fehlen.
Amok-Angst im Berliner Stadtteil Marzahn: Dort ist auf einem Schulgelände am Montagmorgen ein Mann mit einem Gewehr gesehen worden.
Irrtum liebe Redakteure. Von Amok-Angst kein Spur. Weder im Stadtteil, noch im betroffen Areal und erst recht nicht hier draußen auf'm Dorf. Und ob ein Mann mit einem Gewehr gesehen wurde, das weiß nicht mal die Polizei.
Ich werde mir morgen also keine Zeitung kaufen, wo mehr drin steht als die Polizei weiß, denn da weiß ich ja sogar mehr.