Nach kurzem Schütteln war es gestern zumindest in der deutschen Staatsmedienlandschaft Konsens, daß die kaltblütige Ermordung von 16 Zivilisten in Afghanistan ein Amoklauf war, was mit der Kraft des Erdmagnetfeldes die Beigabe Blutbad anzog. Das führte zur Übersichtlichkeit auf der deutschen Newsseite. Auf den amrikanischen sah es spät am Abend hingegen anders aus. So auch am heutigen Vormittag. Für jene, die nicht wissen, was ich meine. Auf news.google.com kann man das Angebot oben links länderspezifisch umschalten.
Warum kurzes Schütteln? Weil am Vormittag per Schnell- und Ferndiagnose noch von einem tragischen Zwischenfall und nervenzusammenbrechenden Soldaten die Rede ging. Wenigstens im Spiegel und vielen andern.
SPIEGEL-ONLINE 11. März 2012, 09:57 Uhr
Nato-Einsatz
US-Soldat erschießt mehrere afghanische Zivilisten
Tragischer Zwischenfall in Afghanistan: ... Angeblich soll der Schütze vor der Tat einen Nervenzusammenbruch erlitten haben.
Flugs wurde jedoch ein Amoklauf nebst angeschlossenem Blutbad draus. In deutschen Medien. Macht sich besser. Hierzulande. Bis, ja bis die Medien genaueres über die Ethnie des Soldaten und seinen psychischen Zustand wissen. Dann werden wir beizeiten umgepolt, da neue Erkenntnisse vorliegen.
Kann sich in diesem Zusammenhang irgendjemand dran erinnern, daß deutsche Medien im Zusammenhang mit dem lustigen Tanklasterbombardement des Oberst Klein von Amoklauf und Blutbad schrieben? Nein? Na dann war es kein Amoklauf und Blutbad, sondern ein tragischer Zwischenfall eines nervlich überforderten Soldaten.
Daß in Afghanistan Krieg ist und sich Soldaten auch so verhalten, als wenn dort Krieg wäre, darauf kommt niemand.
Zum späten gestrigen Abend wurden wir dann noch darüber aufgeklärt, wie die deutsche Nachrichtengebung in Wirklichkeit funktioniert. Der nie besonders gut informierte Matthias Gebauer vom Spiegel faßt das so zusammen.
In den deutschen Medien allerdings kursierten bereits Berichte mit schauerlichen Details... Statt von einem Einzeltäter ist dort von einer ganzen Gruppe von betrunkenen, lachenden US-Soldaten die Rede, die mordend durch das Dorf gezogen seien. Später hätten sie die Leichen mit Chemikalien übergossen und angesteckt. Ob solche Details zutreffen oder nicht, spielt in Deutschland kaum eine Rolle. Meist erreichen die Menschen Nachrichten durch Staats-Propaganda und werden auf diesem Weg immer weiter ausgeschmückt und dramatisiert.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,druck-820653,00.html