17. April 2012

Margot Honecker zum 85.

Ich hatte ja angedroht, mich noch einmal mit der Verarsche des NDR zu beschäftigen, sobald ich Lust und Zeit dazu habe. Ich habe weder die Lust, noch die Zeit dazu, doch, wie die Norddeutschen zu sagen pflegen, wat mut, dat mut.

Angekündigt war, daß Margot Honecker zum ersten Mal seit 20 Jahren ein Interview gegeben hatte, das der NDR ausstrahlen wolle.

Halten wir uns kurz bei diese voluminösen Behauptung auf. Da ich mittler­weile den Film mittels Schieberegler in Avidemux kurz überflogen habe, kann ich eines definitiv festhalten. Ein Interview wurde nicht gesendet. Jedenfalls nicht in der mir vorliegenden Fassung des Films.

Davon abgesehen stürmt gerade ein Streit im Wasserglas, ob es sich überhaupt um ein Interview handelte und wenn ja, warum.

Interview erschlichen?
NDR wehrt sich gegen Vorwürfe aus Honecker-Ecke


Wer das schwachbrüstige Dementi des NDR zu dekodieren versteht, ahnt, daß die Protagonisten Honeckers ausnahmsweise mal Recht haben dürften.

Erster großer Minuspunkt am Film unterm Strich: ein Interview fand nicht statt. Oder es fand statt, wurde aber nicht gesendet. Etiketten­schwin­del.

Weiter im Text. Nachdem der Film zum ersten Mal ausgestrahlt war, sah sich der NDR zu einer Pressemeldung veranlaßt, in der es u.a. hieß:

NDR Intendant Lutz Marmor: "Eric Friedler hat erneut bewiesen, dass er einer der besten Dokumentarfilmer in Deutschland ist. Wieder ist Eric Friedler ein überaus packender, fesselnder Film gelungen, der zugleich auch authentischen Geschichtsunterricht bietet."

Genau daran arbeiten wir uns jetzt ab, denn diese Behauptungen sind am Film zu prüfen.

1. Sollte es so sein, wie behauptet, daß Eric Fiedler einer der besten Dokumen­tar­filmer in Deutsch­land ist, dann hätte ich eigentlich davon wissen müssen, gehört, oder es hätte mir einer geflüstert.

Wer den Film gesehen hat, und sei es im Schnelldurchlauf, der weiß, daß es sich letztlich um nichts weiter als einen auf 90 Minuten gedehnten Werbespot­ver­schnitt gehandelt hat. Der ach so gerühmte Dokumentar­filmer erweist sich mit seiner Mannschaft als Stümper, da er technisch gesehen nicht über den Anspruch eines Werbeclips hinauskommt. Dieses Verfahren wird auf 90 Mi­nu­ten gestreckt. Unterm Strich haben wir es mit einer Aneinanderreihung von Werbespots zu tun, die in keinem inhalt­lichen Zusammenhang stehen, sich durch Beliebigkeit auszeichnen und keiner Logik folgen.

2. Wer sich dem Anspruch stellt, einer der besten Dokumentarfilmer in Deutschland zu sein, der sollte wenigstens elementare Regeln des Doku­men­tar­films beherrschen. Dazu zählen zwei Dinge. Bildgewalt. Ein Dokumentarfilm besticht durch oppulente, überzeugende Bilder. Schließlich ist es ein Film. Und ein Dokumentarfilm dokumentiert, das heißt, er läßt die Protagonisten der Handlung für sich sprechen und hält sich mit Kommentaren zurück. Sonst wäre es ja ein Kommentarfilm.

Gegen beide Grundregeln wurde massiv verstoßen. Die Bildsprache ist, gelinde gesagt, unter aller Sau. Bei Personenaufnahmen immer die gleiche Kamera­einstellung, die an Verhörsituationen aus dem Tatort erinnern. Egal ob Honecker, Gysi, de Maizieré, Seiters oder wer auch immer seine Blubberblase in die Kamera ablassen durfte.

Der Film langweilt ob dieses gewählten Bildprinzips bereits nach drei Minuten, kann mich nicht im Sessel halten und verführt dazu, sich den wirklich wichtigen Dingen des Lebens zu widmen.

Hinzu kommt, das nichts, aber auch gar nichts durcherzählt wird. Ständig wird eine Einstellung abgebrochen, zur nächsten gesprungen, etwas da­zwi­schen geschoben, zurück geschaltet usw. Die Folgerichtigkeit und Logik wurde von vornherein auf dem Schneidetisch geopfert.

Es war ein Kommentarfilm.

3. Wer sich dem Anspruch stellt, seine Partner zu interviewen, der sollte diesen Anspruch auch erfüllen, was bedeutet, daß man merken muß, daß es hier um Interviews geht. Ging es aber nicht, denn die Fragestellungen wurden ge­flissent­lich unter den Tisch fallen gelassen. Wir bekommen etliche Personen der Zeitgeschichte mit ihrem unmaßgeblichen Mei­nun­gen zu hören, wissen jedoch nicht, was sie gefragt wurden. Ab in die Mülltonne. Das ist handwerklicher Schrott. Grabbeltisch-Propaganda. Für jeden etwas.

Unterm Strich ein grottenschlechter Film, der nicht einen der Ansprüche, die ihm an- oder nachgedichtet wurden, erfüllt.

Wenn ich der Verantwortliche gewesen wäre, der das Geld für den Film rüberreichen mußte, dann hätte ich freiwillig noch 30.000 Euro als Erfolgs­prämie oben drauf geklatscht, damit ich die Bilder und Worte Honeckers im Kasten habe. Und ich hätte dafür gesorgt, daß der Film einen prominenten Sendeplatz bekommt, da er, so wie gesendet, meiner Karriere förderlich sein könnte.

Wenn ich Anstand gehabt hätte, wäre mein Ratschlag an einen der besten Dokumentarfilmer in Deutschland gewesen, eine Umschulung zum Müll­sor­tierer zu machen. In diesem Fach könnte er sein Talent voll ausspielen.

Wenn ich Professor an der Filmhochschule wäre, der dies als Masterarbeit zu bewerten hätte, wäre mein Ratschlag gewesen: Gut, irgendwie haste ja einen Film zusammengeschnippelt bekommen. Mit Note 4 gerade noch so bestanden. Wenn de überhaupt in der Branche Fuß fassen willst, dann versuch's in der Werbung, woanders haste keine Chance.

Wenn es um die besten deutschen Dokumentarfilmer geht, dann sind mir nur 2 bis 2einhalb in Erinnerung. Den Maßstab schlechthin hat Leni Riefenstahl gesetzt. Heynowski und Scheumann waren ebenfalls nicht schlecht. Auch die Kinder von Golzow sind ausreichend gut dokumentiert.

Was Eric Fiedler dem NDR verkauft hat, ist ein billiges Propaganda­film­chen, das all die Rede nicht wert ist, die darum geht. McPropaganda zum Billigtarif, handwerklich verunglückt und leicht durchschaubar. Von den besten Dokumentarfilmern ist er soweit entfernt wie Angela Merkel von den besten Kabarettisten. Er kann ja nicht mal Schnitzler oder Löwenthal das Wasser reichen, auch nicht im Ansatz.

Es war kein Interview, an keiner Stelle und es war kein Dokumentarfilm, ebenfalls an keiner Stelle.

Für mich gab es nur zwei erhellende Stellen. Die eine ist, daß Fiedler Lothar de Maizieré als Lusche entlarvt. Das hatte Kohl allerdings 1990 auch schon gemacht. Schön, dies gut 20 Jahre später noch einmal bestätigt zu bekommen.

Die zweite ist, daß er Gysi als Beliebigkeitsplauderer entlarvt, der es durchaus versteht, nach der Windrichtung zu reden.

Ab ca. 32:50 im Film weiß Gysi über Erich Honecker im Brustton der Überzeugung zu berichten:

Also, auf jeden Fall war er der erste Mann in einer Diktatur. Punkt.

Bleibt mein persönliches Fazit. Wenn überhaupt etwas an dem Film stimmte, dann Vor-und Abspann, denn diese wurden den dafür geltenden gewerkschaftlichen Regeln und urheberrechtlichen Bestimmungen gemäß gefertigt. Das war's auch schon, was zum Film zu sagen wäre.

Wenn es dem NDR um ein ernsthaftes Anliegen ginge, dann würde er uns das Interview ganz im Stile eines Günter Gaus zur Verfügung stellen. Unver­fälscht. Frage und Antwort. Macht er aber nicht, auch wenn er immer noch behauptet, es habe sich um ein genehmigtes Interview gehandelt.