29. August 2012

Trend zur Lesesucht "besorgniserregend"

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung schlägt Alarm: Bundesweit sind nach Angaben von Mechthild Dyckmans 560.000 Menschen zwischen 14 und 64 Jahren lesesüchtig. Bei weiteren 2,5 Millionen sei der Umgang mit Büchern, Zeitungen und Zeitschriften problematisch.

Im Oktober soll sich die Jahrestagung der Drogenbeauftragten mit dem Problem befassen, kündigte Dyckmans laut dpa in der Klinik Schweriner See an. Die Klinik für Suchtmedizin ist eine von zwei Einrichtungen bundesweit, die sich intensiv mit pathologischer Büchernutzung beschäftigen. In diesem Jahr habe die Klinik, die die Behandlung der Lesesucht bereits auf ihrer Website als einen ihrer Schwerpunkte heraushebt, 50 lesesüchtige Patienten, vor zehn Jahren sei es einer gewesen, sagte Chefarzt Thomas Fischer laut dpa. Die Patienten seien zu 90 Prozent junge Männer, das Durchschnittsalter liege bei 30 Jahren.

Die Drogenbeauftragte Dyckmans hält den Trend für besorgniserregend. Die vorhandenen Suchtberatungsstellen seien noch nicht in der Lage, Lesesüchtige ausreichend zu beraten, sie bräuchten dafür eine spezielle Ausbildung, betonte sie.

In ihrem Drogen- und Suchtbericht vom Mai dieses Jahres hatte Dyckmans sich bereits über "exzessiven oder pathologischen Büchergebrauch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen" besorgt gezeigt; im September legte sie mit einer Studie nach, laut der ein Prozent der 14- bis 64-Jährigen als lesesüchtig einzustufen seien.

Allerdings ist der Begriff der "Lesesucht" oder gar der "pathologischen Buchnutzung" umstritten. Selbst Dorothee Bär, Netzpolitikerin und stellvertretende Generalsekretärin der CSU, meinte, gedankliche Nähe des exzessiven Leseverhaltens zum Alkohol- und Drogenkonsum sei absurd. Vor dem Lesen solle nicht gewarnt werden, viel mehr solle es sinnvoll in den Lebensalltag der Menschen integriert werden. In die Entwürfe für die fünfte Fassung des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders wurde Lesesucht bislang nicht als Erkrankung aufgenommen: Es wurde zwar diskutiert, man möchte aber erst dann eine entsprechende Störung ins DSM-V aufnehmen, wenn genügend Forschungsdaten vorliegen. (jk)


siehe auch: Neueste Forschungsergebnisse zur Teidesucht

Der Postillon widmet sich den Offlinesüchtigen.