6. April 2013

im Kriechgang durch Cu Chi - vergleichendes Lesen

SPIEGEL-ONLINE 06. April 2013, 09:16 Uhr
Vietcong-Tunnel in Cu Chi

Kriechen im Spinnennetz


Bernd Kubisch/dpa/dkr hat eine Schreibübung angefertigt, die er dem Ham­burger Boulevardmagazin verkaufen mußte.

Die AG Junge Historiker des Blogs hat dies ebenfalls getan, kann den Text allerdings kostenfrei zur Verfügung stellen, da sie keine Schreibneger des Spiegel sind. Den interessierten Lesern des Blogs wird hiermit die Möglichkeit gegeben, beide Texte zu verglei­chen. Der Text der jungen Geschichtsforscher bezieht sich auf einen Aufenthalt in Vietnam Ende 1983, wurde 1984 ange­fer­tigt und bis heute nicht geän­dert, Rechtschreibung und Grammatik ausgenommen, es sei denn, es wurden neue Fehler hinzugefügt.

Eine Besichtigung der besonderen Art lag vor uns. So etwas dürfte es in der Welt kaum noch einmal geben. Wir fuhren in nordwestliche Richtung in den Kreis Cu Chi. Dort befindet sich eine Freiluftgedenkstätte, das für Touristen herge­richtete, an die Oberfläche geholte Partisanenzentrum eines ganzen Kreises.

Wir sind beeindruckt von den Leistungen, die uns offenbart werden. Ein Partisa­nenstützpunkt von 200km Tunnellänge verbarg sich unter unseren Füßen, war in 30 Jahren Krieg in die Erde gegraben worden.

Genosse Vik, von 67 bis 75 selber Partisan gewesen, führt uns zu den zu sehen­den Elementen des Systems.

Als erstes werden wir mit der Huang Gam-Küche bekannt gemacht, die für die zentrale Versorgung verantwortlich war und in der Regel kurz unter der Erdober­fläche lag. Sie zeichnete sich dadurch aus, daß es durch ein raffiniertes Röhren­system den enstehenden Rauch in weit entfernte Gegenden ableitete, denn es gab auch Zeiten, da verriet der Rauch die Stellungen der Partisanen.

Auch eine Schule und eine Sanitätsstelle waren hergerichtet worden, an der Oberfläche zu sehen. Früher lebten hier Kinder und Kranke fürJahre unter der Erde.

Und dann der Clou. Wir dürfen selber einen Verbindungsgang von 50 Metern Länge durchkriechen. Der Tunnel war in zwei Ebenen angelegt, die erste ca. 1,5 Meter unter der Erde, die andere 2,5. Zusätzlich wurden diese Verbindungen durch Blindführungen gesichert, um eine Enttarnung zu erschweren. Die Zugän­ge zu den richtigen Gängen waren in der Regel noch durch raffinierte Deckungen abgesichert, die man nur entdeckte, wenn man wußte, wo sie sind.

1948 waren die ersten primitiven Tunnel entstanden, mehr als Schutz und Zufluchststätte gedacht, denn als organisiertes Zentrum des Widerstandes. Bis 1965 war es bereits auf eine stattliche Länge von 70 km gewachsen und bis 75 auf 200 km erweitert.

In 45 km Entfernung von Saigon war ein Zentrum des aktiven Widerstandes enstanden, das den Herrschaften ganz schön zu schaffen machte. Von Dorf zu Dorf zogen sich die Verbindungen durch den ganzen Kreis, gaben so die Mög­lich­keit, mit überraschenden Schlägen den Amerikanern empfindliche Verluste beizu­bringen.

Die Amis wußten von diesem System, mehr aber auch nicht. Sie hatten keinerlei Vorstellung, was sich in Wirklichkeit für eine gigantische Leistung dahinter ver­barg. In ihrem Größenwahn versuch­ten sie auch 1967, die Partisanen zu ver­nich­ten und boten 12.000 Soldaten für dieses Unternehmen auf. 2.000 der Söldner wuden durch die Partisanen vernichtet, konnten kein Unheil mehr an­rich­ten.

Auf 150.000 Einwohner kamen 200.000 Söldner, die nicht in der Lage waren, die Initiative an sich zu reißen. Sie vermochten nicht, die bis in 6 Meter Tiefe rei­chenden Anlagen und in drei Etagen angelegten Verbindungsgänge und Räume entscheidend zu beherrschen.

Deswegen wurden ihre Methoden immer brutaler. Auf jeden Einwohner gerech­net wurden 1,5t Bomben abgeworfen, pro qm waren das 4,5 Tonnen. Step­pen­gras, das sehr schnell wächst, wurde angepflanzt und nach kurzer Zeit ange­zün­det, um Fächenbrände zu bewirken. Chemische Kampfstoffe waren im Einsatz, jedoch hatten auch hier die Aggressoren den Nachteil, daß sie selber davon betroffen wurden.

Schließlich kaufte die USA in der BRD 3.000 Schäferhunde, die speziell auf den Menschen abgerichtet waren und in das Tunnelsystem eingeschleust werden sollten. Am Anfang verzeichnete man natürlich Erfolge, aber die Partisanen waren nicht untätig, legten getötete Söldner und Ausrüstungsgegenstände in die Gegend, sobald auch diese Methode bald abgeblasen werden mußte.

Von den 20.000 Partisanen haben dennoch 10.000 den Tod gefunden, eine Frau allein hat ihre 8 Kinder und zwei Enkel verloren.

Weder "Agent Orange", noch 3.000 Schäferhunde, noch Großaktionen konnten die totale Niederlage aufhalten, sie war unausweichlich.

Der 452 Hektar große Kreis Cu Chi mit seinen 16 Dörfern wurde von der Regierung für die hohen Leistungen zur Befreiung des Landes als Heldenkreis ausgezeichnet, 6 Dörfer erfuhren diese hohe Auszeichnung und 18 Partisanen wurden Held Vietnams.

Es war also sehr beeindruckend, was wir wieder gesehen haben.
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Nach dem Swimmingpoolbaden begab sich ein großer Teil in die Markthalle, wollte unbedingt dieses Fluidum mitnehmen. Uns zog es auch ganz schnell in das nicht weit entfernte Warenhaus, denn hier war mehr Leben, auch mehr zu sehen und bessere Waren im Angebot.