14. September 2014

NSU: auf Hausbesuch in U-Haft

Irgendjemand hat uns für ein Märchen wieder mal die Note 1 verliehen. Irgendwas daran gefällt außerirdischen Lesern. Da wir bei Google+ nicht mitmachen, ist diese Bewerterei für uns ohne Bedeutung, da sie sich bei bald 10.000 posts in Grenzen hält. In den Grenzen zweier Hände. Die beste Bewertung hatte unser Gorbatschow, da wurden mir mit Plussen überhäuft.

Wir nehmen zur Kenntnis, daß wir vielleicht richtigen Gedanken zum Ausdruck brachten. Der Banküberfall in Arnstadt hat mit Böhnhardt und Mundlos ungefähr genau soviel zu tun wie Merkel mit Realpolitik oder unsere Miniplots mit der Realität. Das war wohl die Quintessenz, die da jemandem gefallen hat. Oder, daß Arnstadt als Blaupause für den Showdown im Wohnmobil diente.

Nun gut. Machen wir weiter in der Ideenfindung für unseren großen Degeto-Zweiteiler, der an Weihnachten mit Veronica Ferres in der Hauptrolle das krimiaffine Publikum in die Fernsehsessel drückt. Die Ferres mußten wir nehmen, meint die Produktionsleitung, sonst müssen wir uns jemanden anderes für unser kleines Fernsehspiel suchen.

Die Ferres gibt die neue Chefin vom Referat für interne Schweinereien des Landes und hat sich zur Aufgabe gemacht, den Mord an einer Polizistin aufzuklären. Eigentlich ist er ja schon aufgeklärt, ihre Aufgabe sieht sie darin, die Bremsklötze zu lockern, damit die Geschichte wieder Fahrt aufnimmt.
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Ein tristes Büro in der Bundesanwaltschaft. Die Vorzimmerdame serviert ein Tablett mit Kaffee, Wasser und Knabbereien. Die Kommissarin sitzt bereits in dem ihr zugewiesenen Sessel. Der Bundesanwalt blättert in irgendwelchen Akten. Eigentlich will er nur Zeit gewinnen, sie hinhalten, mürbe kriegen.

Herr Bundesanwalt, setzen sie sich. Ich beanspruche nur 5 Minuten ihrer wertvollen Zeit. Ich muß mit der Angeklagten reden. Sie kann uns möglicherweise in einem Fall, in dem wir ermitteln, wertvolle hinweise geben.

Welcher Fall soll das sein?

Der Mord an der Polizistin.

Vergessen sie's. Der Fall ist abgeschlossen, wird vor Gericht verhandelt und auf keinen Fall von ihnen nachverhandelt. Damit kommen sie nicht weit. Die Nummer ist gegessen.

Ist sie nicht.

Dann vergessen sie es trotzdem, dann ist sie nicht gut für die Gesundheit.

Herr Leckmich …

Ich heiße …

Herr Leckmich, sie hören mir jetzt zu. Sehr aufmerksam. Nichts ist abgeschlossen, schon gar nicht der Mord an einer Polizistin. Außer mir wissen noch 7 andere Personen, wer es war.

Wer war es denn, ihrer Auffassung nach?

Ich hatte gesagt, sie sollen einfach nur zuhören. War das so schwer verständlich? Was ihre Anspielung auf die Gesundheit betrifft, dagegen kann man sich versichern. Wenn einer Person dieses kleinen und feinen Zirkels etwas zustößt, so lautet die Vereinbarung, dann platzt die Bombe. Wenn einer dieser Personen die Pistole auf die Brust gesetzt wird, dann läßt sich das mit einer Aktennotiz nachvollziehen, denn von allen kritischen Gesprächen werden Gedächtnisprotokolle angefertigt und ausnahmsweise nicht in den zentralen Datensystemen deponiert. Tun sie nicht so, als wenn sie das alles nicht wüßten. Ich ermittle in einem Mordfall. Ihre Behörde hat Anklage in diesem Mordfall erhoben und eine Verdächtige vor Gericht gestellt. Also habe ich den Anspruch, die von ihnen des Mordes verdächtigte Person zu vernehmen.

Die Beweise sind erdrückend, das führt zu nichts.

Quark, sie haben doch gar keinen Beweis. Auch das wissen sie. Sie haben den Auftrag, die Person fertig zu machen.

Wenn sie meinen. Die Genehmigung kriegen sie trotzdem nicht. Dann platzt unser Prozeß. Das kann ich nicht durchgehen lassen. Zur Not kriegen sie die Weisung, die Ermittlungen einzustellen. Ihre Karriere ist dann futsch.

Leckmich, ich scheiß auf Karriere. Die können mir gar nichts. Dann lande ich im Revier Nord, habe jeden Tag um 17 Uhr Feierabend, freies Wochenende, nur noch Streß mit den Computerleuten, weil die Blechkisten nicht funktionieren. Von welcher Karriere reden sie? Von ihrer? Die ist mir auch scheißegal. Merken sie sich eines. Den Mord an einer Polizistin, den kann man nur einmal vertuschen. Zweimal funktioniert das nicht.

Ich lasse den Prozeß nicht platzen.

Tun sie nicht so blöd. Ich fahre in die U-Haft und kriege mein Gespräch. Und sie machen das, was sie am besten können. Sie gehen mit dem Richter einen Kaffee trinken und und besprechen besser mit dem ihre beschissene Situation. Der findet schon einen Weg, wie er ihnen den Arsch rettet. So hat das doch immer funktioniert, wenn ihre Behörde ein Verfahren an sich gerissen hat. Warum sollte es auf einmal anders laufen? Also versuchen sie gar nicht erst, mit glaubhaft zu versichern, daß sie hier keine Show sondern eine rechtsstaatlich einwandfreien Prozeß durchziehen. Wissen sie, wie ihr Verein in Wirklichkeit bewertet wird, welchen Ruf sie haben? Freislers Nachfahren, der bunte Volksgerichtshof. Politanwaltschaft. Und genau so agieren sie auch.

Also, damit sie Bescheid wissen. Ihr Prozeß ist mir sowas von egal. Der geht mich nichts an, weil die Angeklagten nichts mit dem Mord zu tun haben. Da läuft ihre Nummer, nicht meine. Ich fahre da hin und bekomme meine Informationen so oder so. Sie wissen, daß sie es nicht verhindern können. Ich wollte ihnen die Chance einräumen, da sauber rauszukommen. Sie haben es bei mir verkackt. Eine schöne Woche noch.
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Zwei Justizangestellte brachten die Angeklagte in den Besucherraum.

Machen sie die Handfesseln ab.

Ja, aber die Anweisung...

Die Anweisung lautet: Machen sie die Handfesseln ab.

Die Angeklagte saß der Kommissarin gegenüber und schaute zu Boden.

Guten Tag. Ich bin Kommissarin und leite das Referat für innere Schweinereien im Ländle. Ich habe ein paar Fragen an sie, muß sie allerdings vorher belehren. Sie müssen nicht mit mir reden, meine Fragen nicht beantworten, dürfen einen Anwalt hinzuziehen und trotzdem schweigen, mich anlügen, singen, beten. Sie haben mir gegenüber keinerlei Pflichten. Haben sie das verstanden?

Schweigen.

Schauen sie bitte kurz auf und teilen sie mir mit, ob sie das verstanden haben, damit ich sie ernst nehmen kann. Geben sie mir deutlich zu verstehen, daß sie mit dem Gespräch einverstanden sind, sonst muß ich die Übung abbrechen.

Die Angeklagte schaute auf. Die Blicke der beiden Frauen trafen sich nicht nur räumlich auf Augenhöhe. Sie hatten einander verstanden.

Schön. Das Gespräch wird mit zwei Videokameras aufgezeichnet. Insofern sei noch einmal und ausdrücklich von mir betont, daß sie sich hier zu nichts und niemandem äußern müssen. Verstanden?

Die Angeklagte signalisierte, daß sie verstanden hatte.

Ich ermittle im Fall der ermordeten Polizistin, für den sie unter anderem angeklagt sind. Dazu möchte ich ihnen im folgenden ein paar Fragen stellen.

Sie kenne den Sachverhalt mit dem Mord an der Polizistin?

Waren sie damals auf oder in der Nähe der Festwiese, auf der die Schaustellerbetriebe das Volksfest vorbereiteten?

Gut, wir kommen an der Stelle nicht weiter. Ich habe eine Bitte. Sie können mir weiter helfen, ich aber ihnen nicht. Ich habe keine Möglichkeit, in irgendeiner Hinsicht auf den Prozeßverlauf einzuwirken, entlastendes Material beizubringen oder sie generell von den Vorwürfen freizusprechen, auch wenn ich weiß, daß sie es nicht waren. In dieser Hinsicht habe ich keinen Spielraum und keine Möglichkeiten. Im Fall der ermordeten Polizistin gibt es eine Handvoll Verdächtige. Wir könnten es arrangieren, daß es zu einer verdeckten Genüberstellung kommt. Die Verdächtigen werden nicht wissen, von wem sie identifiziert werden sollen. Es besteht allerdings durchaus die Möglichkeit, daß sie diesen Verdächtigen schon mal begegnet sind.

Da die Videokameras ein heftiges Kopfschütteln auf das Begehr aufgezeichnet hatten, war die Befragung zu Ende.
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Am nächsten Tag harrte das Ermittlerteam gespannt der Auskunft ihrer Chefin.

Ich habe die Information, die wir brauchen. Sie hat Angst, riesengroße Angst, daß sie den Tätern noch einmal begegnet. Sie waren damals nicht in der Stadt. Sie weiß über den Mord an der Polizistin gar nichts und was die zeitungen schreiben. Sie befürchtet jedoch, die Mörder woanders gesehen zu haben. Ganz woanders und viel später.

Und wie hast du der das aus der Nase gezogen?

Gar nicht. Sie hat mir bei den entscheidenden Fragen meine Schuhe breitgetreten. Hatte ich als Bitte auf der Handinnenseite notiert. Sie hat kein Wort mit mir geredet.