10. Juni 2015

Wildschweinboulette


Blende 8, 1/40 sec., Brennweite 50 mm, ISO 5000

Dem Wildschwein fröstelte, als die Nazis durch Neuruppin marschieren wollten. Es verfiel in Schockstarre, wurde eingetütet und landete irgendwann in Berlin. Ob des ganzen Boheis weinte eine ältere Dame gar bitterlich, daß sie wegen des Marktes gar nicht die Schule fotografieren könne, wo sie sich doch so auf das Treffen gefreut hatte. Da haben sie ja einen Markt aufgebaut.

Sie wußte nicht, daß sie des Abends beim Dinner zwei 20x30-Fotos übereignet bekommen würde, die einmal eine der Kirchen der Stadt als auch die Gemäuer der Schule von ihren jeweils besten Seiten zeigen, aufgenommen bei idealem Fotowetter und mit ohne Menschen drauf. Ein Kunststück, das so einfach nie ist, bei dem der Fotograf schnell zuschlagen muß, denn wer weiß, wann eine solche Gelegenheit noch einmal kommt. Die andere Kirche hatte es als Präsent bereits vor Jahren in gleicher Qualität gegeben.

Die alten Leutchen, alle um die 80, haben sich vor eitel Freude gar nicht mehr eingekriegt, wurde dem Fotografen berichtet. Auch bekamen sie von dem ganzen Trubel um die Nazis nichts mit, hätten es auch nicht gewollt, denn es handelte sich um jene Generation, die meistens als Flüchtling in der Ecke nördlich Berlins hängen blieben und zum Kriegsende so 8 bis 10 Jahre alt war.

Bei der gemütlichen Rückfahrt nach Berlin wurde auf dem Dorf Rast gemacht und bäuerliches Handelsgut im Kofferraum verstaut, bis nichts mehr rein ging. Echter Honig, echte Eier und eben dieses viertel Wildschwein, ein zu Lebzeiten auf Diät gesetztes Tier, dem es ordentlich an Fett mangelte, wie sich später herausstellen sollte.

Die Idee, das gute Stück durch den chinesischen Plastikfleischwolf für 9,90€ zu drehen, war keine gute, denn man hätte sich einen Wolf gedreht. So blieb es letztlich bei der 2-Personen-Portion Gehacktes, eigentlich Gedrehtes. Das mußte kräftig gewürzt werden, damit der Wildgeschmack gedämpft wird. Ergo wurden ordentliche Portionen Schnittlauch, Zwiebeln, Thymian, Rosmarin, da kann man doch sparsam mit umgehen, als auch Salz und Pfeffer, ein Ei und echte Semmelbröseln, also die aus gehärteten Brötchen, nicht der Mist, den Bäcker Steinecke als Gourmet-Paniermehl zu Phantasiepreisen verhökert, zugegeben und alles ordentlich durchgeknetet, das alles in die Pfanne gehauen, mit frischem Spargel und lecker Mango angerichtet und der Verwertung zugeführt.


Blende 10, 1/25 sec., Brennweite 50 mm, ISO 12800

Schmeckt, war aber furztrocken, denn es handelte sich wirklich um ein Stück Magervieh, dem kein Gramm fett abzugewinnen war.

Prinzipiell steht dem nichts im Wege, Wildschweinboulette zu machen, sofern man Stücke erwischt, die wenigstens etwas Fett aufweisen. Außerdem benötigt man einen echten Proficutter, denn selbst die etwas besseren scheinen ungeeignet zu sein, das Met anzufertigen. Außerdem kann man dann ordentlich bescheißen und Schweinefett unterschneiden, das den nötigen Gehalt an Fluffigkeit beibringt. Merkt eh keiner.

Die Konsequenz war, daß der Rest der Keule und der Rippe schlichtweg in den Ofen geschoben wurde. Das kann man einfrieren und erst dann hinter die Kiemen hauen, wenn einem so ist.