Wir wollen heute an einem kleinen Beispiel erörtern, wie die Forensik der Sprache funktioniert. Der Einfachheit halber sei kurz erwähnt, daß wir unter Forensik all jene Handlungen verstehen, mit denen gerichtsverwertbare Beweise erfunden, äh, hart erarbeitet werden.
Rein mal angenommen es findet eine G-10-Aktion statt, bei der in einem Telefonat das Stichwort Zipfihaum gefallen ist. Die beiden Abhörer schauen sich verdattert an, da sie nur Bahnhof verstehen. War das jetzt das Signal zur Attacke? Oder müssen wir den Lauschangriff sofort abbrechen, weil er den Kernbereich der Privatheit erfaßt?
Einer der Abhörer zückt sein schickes Multifunktionstelefon und tippt Zipfihaum in das Formularfeld der Suchmaschine seiner Wahl* ein und erhält Treffer wie die folgenden
- Reklamemarke Tischgesellschaft Zipfihaum (ebay)
- Zipfihaum's Medal of Honor Statistics (gametracker)
- fesche zipfihaum (facebook)
- anorak und zipfihaum nit vagessen
Nach ungefähr 22 Ergebnissen in 0,18 Sekunden ist bereits das Ende der Veranstaltung erreicht.
Eine Ziphihaum scheint es zu geben, doch im Findeportal tritt die so selten auf, daß der Befund unklar ist.
Dann der große Schreck. Im Militaria-Fundforum stoßen die beiden Staatsdiener zu stockdusterer Nacht auf den entscheidenden Hinweis. Sollen sie nicht doch lieber ein SEK rufen, um der Lage Herr zu werden?
a Mo mit Zipfihaum
Dort ist auch der Verweis auf ein Videoschnipselportal hinterlegt.
Weiter geht es mit den dürren Befunden der Hobbyforscher im Observationswagen.
Dis a Moa mit a Zipfihaum.
Die verstehen nur Bahnhof und rufen umgehend diensthabenden Dialektforscher der UNI Leipzig an, der sich zum Teil auch auf ausländisch versteht.
Der hört sich den Satz an, vergleicht ihn mit seiner Datenbank der deutschen, deutschähnlichen und deutsch klingenden Dialektbeispiele und kommt zu einem eindeutigen Urteil.
Das kann nur einer aus der Familie Hinterhuber gesagt haben. Die wohnen in Südtirol auf der Vorderalm. Aber Vorsicht, das ist keine Alm, sondern ein Dorf. Da wiederum muß man wissen, daß die Hinterhubers in der Region ein zerstrittener Clan sind. Nur die Hinterhubers am Nordhang der kleinen Ansiedlung nutzen dieses Wort, das dürfte sich so um die 17 bis 23 Personen handeln. Die anderen nutzen es aus Prinzip nicht, weil die anderen es benutzen. Im übrigen handelt es sich um ein Schlafmütze.
Die Observanten beratschlagten nun doch, ob sie das Tonband besser abschalten sollten, denn bei einer abgehörten Schlafmütze könnte es richtig Ärger geben.
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* Bing findet das Wort im Grunde überhaupt nicht, läßt man den Treffer von NSU Leaks weg.