24. Oktober 2019

Lebst du noch oder jokerst du schon?



Kleiner Scherz, also Joke. Niemand wünscht sich, daß jemand durch die Straßen der Bronx jokert und sieben Tote hinterläßt, wie es der Joker in dem gleichnamigen Film tat. Ausgenommen natürlich die Medien. Blut­bäder sind ihr Grundnahrungsmittel, aus dem sie Reichweite und Profit schöpfen. Da kommt jedes Gemetzel recht.

Es war Ende der dritten Spielwoche, als ich mich für den Kinobesuch entschied, obwohl ich Zweifel hatte, daß der Film meinen Ansprüchen gerecht wird. Die haben sich dann auch vollumfänglich als begründet herausgestellt, denn ich hatte Sin City als das Maß, bzw. zumindest ein Maß, für kongeniale Comic-Verfilmungen im Gedächtnis. Daran war der Joker zu messen. Daran ist er kläglich gescheitert.

Die Vorstellung war mäßig besucht, deswegen auch während der gesam­ten zwei Stunden eine Zapfenruhe. Selbst die Urinalaufsucher und Pop­corn­nachschub­holer geisterten geräuschlos außerhalb des Sichtwinkels aus dem Saal und wieder hinein. Am Schluß gab es verhaltenen Beifall, alle blieben noch lange in den Abspann hinein sitzen.

Es war ein schlechter Film, weitestgehend grottig und lieblos. Er war der­maßen langweilig, daß ich nach 5 Minuten den E.T. geben wollte, nach Hause. Nach 10 Minuten sah das nicht anders aus. Keine Bildgewalt, die einen in den Sessel drückt, braver Sound, vor allem aber keine Handlung, der man irgendwie folgen kann. Es mangelte dem Streifen an allem, was einen guten Kinofilm auszeichnet. Nur ein Kriterium erfüllte er. Die Schnittsequenz war sehr verhalten und ruhig, keine hektischen Werbe­schnitte a 5 Bildwechsel pro Sekunde. In den ersten 90 Minuten war ge­ra­de mal oben zu sehendes Bildschirmfoto eine fotografische Augen­wei­de. Spektakulär ist an der Joker-Verkörperung genau nichts, bzw. genau eines. Dazu später mehr.

Joaquin Phoenix spielt die Hauptrolle, einen Clown, Daran scheitert er grandios, denn um einen Clown zu spielen, muß man das Clownsfach beherrschen. Ein Seiteneinstieg ist da nicht drin. Jiří Vršťala konnte das aus dem FF. Gelernt ist gelernt. Phoenix scheitert in allen Phasen seines Clownseins. Da stimmte nichts. Nun könnte man ja annehmen, daß das so gewollt ist. Nein, es mangelt schlicht an dem Vermögen, den Clown lein­wandgerecht darzustellen. Er ist so schlecht, wie er auf der Leinwand rüberkommt.

Im übrigen war der Protagonist auch in den anderen Szenen, ohne Clowns­maske, kein Überflieger der Darstellerkunst, für mich also eine Fehlbesetzung. Robert De Niro hatte es da deutlich einfacher. Er brauchte nur sich selber spielen, also eigentlich nur mitmachen, so wie Schimanski nur Schimanski spielen konnte oder Kurt Böwe den Kurt Böwe gab.

Nach einer Stunde war immer noch nichts passiert. Ich wollte immer noch gehen, denn der Mord an den drei Finanzbankern in der U-Bahn riß mich nicht vom Hocker. Bis dahin war gerade mal eine opulente Einstellung im Film zu sehen und ein knackiger Dolby-Atmos-Krawall-Sound. Ansonsten herrschte weiterhin gepflegte Langeweile. Nichts, was eine Handlung sein könnte oder eine solche sogar vorantrieb. Genau das wäre das Kriterium eines guten Films, daß er einen in seinen Bann zieht, in die Handlung reinsaugt und man mitspielt, sich zum Kumpan oder Widersacher der Leinwandhelden macht, um am Schluß doch ausgetrickst zu werden, denn ein guter Regis­seur ist allemal schlauer als das Publikum.

Dann explodierte der Film förmlich, beschleunigte wie ein Tesla. Die letzte halbe Stunde war dann der Film, eine Finale Furioso wie selten in der Kinogeschichte, denn es folgen noch vier Morde, die die ersten drei in der U-Bahn meilenweit in den Schatten stellen. Die Mutter liegt mit Schlag­anfall im Krankenhaus. Nachdem der Joker die Lügen ihres Mutterseins entdeckt hatte, griff er zum Kissen und beendete deren jämmerliches Dasein.

Kurz darauf kommt die mithin beste Szenerie des Films, die Phoenix spektakulär verkackt (Bayerischer Rundfunk) hat. Der nächste Mord geschah kurz nach dem an seiner Mutter in der Wohnung. Zwei ehemalige Kollegen kommen auf Besuch, um rauszufinden, was er mit den U-Bahn­morden zu tun hat, denn die Waffe hat er von dem einen bekommen. Dem geht der Zapfen 1:100. Der hat dann auch kurz darauf ansatzlos eine Sche­re im Hals, damit anschließend so zwischen zwei bis 4 Litern Theaterblut die Kinoleinwand zieren dürfen. Eine sehr gut gefilmte Blutorgie setzt dem Kameraden­schwein wenigstens noch fünf Mal ein ewiges Ende.

Schnitt.

Der Joker tänzelt zu den Klängen von Garry Glitters Rock'n Roll Pt. II eine Treppe in der Bronx herunter. Und genau das bringt Phoenix nicht. Rock'n Roll ist Rock'n Roll ist Rock'n Roll. Wenn man schon jemanden spektakulär wie ein Rock'n Roll ins Jenseits befördert, das als Befreiung empfindet und dann den Rock in sich spürt, dann muß man die Treppe eben auch runter rollen, denn den Rhythmus gibt der Rock vor.



Das ging gründlich schief, denn Phoenix tänzelte zum grandiosen Sound wie ein schwuler Clown die Stufen herab, wie ein Schauspieler, der das Clownsfach nicht beherrscht und der keinen Rhythmus im Blut hat. Das hätte selbst Freddie Mercury um den Faktor 17 besser zustande bekom­men.

Eigentlich müßte der Bürgermeister der Bronx eine Challenge ausrufen, wer die Treppe mit dem besten Rock'n Roll runtermacht. Rocken, nicht hüpfen. Das wäre beste Werbung, und die Jugendlichen täten es freiwillig machen.

Sehr schön dann, wie mich der Regisseur auf seine Leimspur raufkriegte, indem er mehrfach andeutete, daß der Joker sich öffentlich aus dem Leben befördern wollte. Das hat der Joker kurzfristig umgewidmet, indem er dem Talkmaster einer Fernsehsendung, verkörpert von Robert De Niro, ebenfalls ansatzlos und live auf Sendung den Gnadenschuß gab. Wegen der tiefen Kränkung, die dieser ihm zugefügt hatte. Der Tod der Medien­branche live zelebriert. Das hat was.

Es gibt noch einen kleinen Volksaufstand wegen ihm, denn sind wir nicht alle irgendwie Clown? Die beiden Detectives, die ihm auf den Fersen sind, werden fast gemeuchelt und am Ende sitzt er vor der Gefängnispsycho­lo­gin, die ihn zwecks Psychiatrierung explorieren soll.

Die Schlußszene ist dann ganz großes Kino. Der Joker schlurft zurück in seinen Schlaftrakt und hinterläßt Fußstapfen aus frischem Blut.

Unterm Strich ein sehr widersprüchliches Unterfangen. Sie hatten gerade mal für dreißig Minuten gutes Material, gute Ideen und das alles auch noch in diese dreißig Minuten reingequetscht, was einen richtig schweine­guten Film ergibt, dessem Handlung man folgen kann und bei dem man voll dabei ist. Die wichtigste Szene, den Mord am Verräterschwein als Rock'n Roll zu inszenieren verkacken sie alle, denn es ist nicht nur Phoe­nixs Unvermögen. Es ist auch das Unvermögen von Regisseur und Kame­ra­mann, die das sehen müssen, das das nichts wird.

Die 90 Minuten davor waren Bullshit, Arbeitsproben von Praktikanten, was auch immer, völlig überflüssig. Um zu begreifen, daß ein Verrückter ganz verrückte Sachen tut und sieben Leuten das Leben auslöscht, ehe er eingefangen wird, dafür braucht man keinen Kinofilm. Jeder, der wenigs­tens einen Verrückten in seinem Leben kennenlernte, begreift das auf Anhieb. Es hätte für diesen Film also völlig ausgereicht, eine 5minütige Zusammenfasssung im Stile Loriots auszuhecken, mitzuteilen, daß der Joker wegen Kindheitstraumas eine Vollmeise hat und wahllos Leute tötet, das dann jedoch zielgerichtet und planlos planvoll. Einfach so, weil er verrückt ist. Und weil er es kann. Dann sollte man jedoch über ein Kuckucknest fliegen können, um die ganze Idiotie glaubwürdig in Breit­bild zu präsentieren. Phoenix kann Jack Nicholson nicht mal ansatzweise das Wasser reichen.

Schön, daß es uns einer wieder mal gesagt hat, daß es genügend Idioten da draußen gibt. Die bewältigen ihren Frust mit sich und anderen ganz alleine und brauchen niemanden, der ihnen dabei hilft.

Nur die Medien, die sind gefrustet, denn die brauchen die Katastrophe, das Blutbad, den kollektiv organisierten und durchgeführten Bürgerkrieg. Der einzeltäterisch handelnde Psychopath ist ihnen ein Gräuel. Weil sie ihn nicht erklären können. Der Film Joker konnte es ja auch nicht.

35 Minuten Spielfilm hätten für die Gesamthandlung völlig ausgereicht. Da ist Loriots Einführung und der Dreifachmord in der U-Bahn, davon 2 mal Notwehr, schon inkludiert. Das reicht nicht für einen Oskar. Der wird dem Film einfach so hinterhergeworfen. Ungerechtfertigt.

Das Übelste an dem ganzen Film war, daß Phonix in jeder Szene geraucht hat, also in den zwei Stunden drei Schachteln oder so. Raucher sind Schweine.