8. August 2020

Achtung, sie werden beherrscht!

Lisa Marie Kaus
Unser gesamtes Wahlsystem ist aufgrund der verheerenden deutschen Geschichte im langen zwanzigsten Jahrhundert darauf aufgebaut, den Souverän zu kontrollieren. Es misstraut dem Bürger heute, da die Bevöl­kerung damals 1938 in freien Wahlen Hitler wahrscheinlich eine überwäl­tigende absolute Mehrheit beschert hätte. Politische Phrasen in Deutsch­land zeugen davon: Wir müssen die Leute abholen, wir müssen es ihnen besser erklären. In den USA würde man Politiker für solche Sätze von der Bühne jagen.

Ja, wir lassen uns beherrschen. Die Aufteilung in Freund und Feind sorgt dafür, dass die Kosten der Äußerung einer vom Mainstream abweichen­den Meinung hochgehalten werden. So lange Stigmatisierung, Ausgren­zung und Diffamierung jene Kosten übersteigen, mit denen ich die Miss­stände bewerte, die ich tagtäglich sehe, solange bleibe ich leise, solange werde ich beherrscht. So wie in unserer Gesellschaft seit Jahren mit Andersdenken umgegangen wird, verlassen wir die demokratische Basis.

Hätte Gandhi nicht damals gegen das britische Empire, sondern heute gegen Merkel aufbegehrt, die Tagesschau würde entweder gar nicht über ihn berichten oder ihn als rechten Wirrkopf abtun. Die Kritik an der Re­gie­rung – eigentlich schlechthin die Aufgabe der vierten Gewalt im Staat – hat mittlerweile etwas Anrüchiges, klingt nach ungewaschenen Haaren, nach gesellschaftlichem Verlierer, nach Impfgegner und Verschwö­rungs­theorie. Und die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zementiert diesen Zustand jeden Tag aufs Neue.

Reformträume sind müßig. Ein politisches System wird sich nie aus sich selbst heraus reformieren. Die aktuell Herrschenden wären ja schön blöd.