Unser gesamtes Wahlsystem ist aufgrund der verheerenden deutschen Geschichte im langen zwanzigsten Jahrhundert darauf aufgebaut, den Souverän zu kontrollieren. Es misstraut dem Bürger heute, da die Bevölkerung damals 1938 in freien Wahlen Hitler wahrscheinlich eine überwältigende absolute Mehrheit beschert hätte. Politische Phrasen in Deutschland zeugen davon: Wir müssen die Leute abholen, wir müssen es ihnen besser erklären. In den USA würde man Politiker für solche Sätze von der Bühne jagen.
Ja, wir lassen uns beherrschen. Die Aufteilung in Freund und Feind sorgt dafür, dass die Kosten der Äußerung einer vom Mainstream abweichenden Meinung hochgehalten werden. So lange Stigmatisierung, Ausgrenzung und Diffamierung jene Kosten übersteigen, mit denen ich die Missstände bewerte, die ich tagtäglich sehe, solange bleibe ich leise, solange werde ich beherrscht. So wie in unserer Gesellschaft seit Jahren mit Andersdenken umgegangen wird, verlassen wir die demokratische Basis.
Hätte Gandhi nicht damals gegen das britische Empire, sondern heute gegen Merkel aufbegehrt, die Tagesschau würde entweder gar nicht über ihn berichten oder ihn als rechten Wirrkopf abtun. Die Kritik an der Regierung – eigentlich schlechthin die Aufgabe der vierten Gewalt im Staat – hat mittlerweile etwas Anrüchiges, klingt nach ungewaschenen Haaren, nach gesellschaftlichem Verlierer, nach Impfgegner und Verschwörungstheorie. Und die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zementiert diesen Zustand jeden Tag aufs Neue.
Reformträume sind müßig. Ein politisches System wird sich nie aus sich selbst heraus reformieren. Die aktuell Herrschenden wären ja schön blöd.
8. August 2020
Achtung, sie werden beherrscht!
Lisa Marie Kaus