17. Juli 2025

das zeitgemäße Kino

Stilübung

Henryk Gondorff

Seit längerer Zeit werben speziell in Arthouse-Häusern die Bundesregierung, der Zeitgeist und die Zeitenwende. Konsum war gestern, jetzt ist Indoktrinierung. Dort werben NGOs und Ministerien, die Bundeswehr und politische Verbände. Die Leinwand wird zum moralpädagogischen Lichtspiel, die Belehrung zum Auftrag der Kinos. Die Unterhaltung wird politisch aufgeladen. Das ist zunehmend lästig. Der pädagogische Überbau der Erziehungsanstalt Deutschland hat das Kino für sich entdeckt. Moralisches Briefing kommt seitdem vor dem eigentlichen Programm. Bevor er in den Film abtaucht, bekommt der Zuschauer noch aufgetischt, was gut, gerecht und richtig ist. Gezeigt wird eine vordefinierte Haltung: bieder, ohne Widerspruch formuliert und maßgeschneidert für Talkshowdeutschland. Das Tugendregime flimmert von der Leinwand. Es will belehren und bevormunden. Was sich hier zeigt, ist nicht einfach eine Veränderung des Werbemarktes, sondern ein Symptom für eine Gesellschaft, die keine unbesetzten Räume mehr duldet. Mag der Kinosaal häufig als eine Zwischenwelt gewirkt haben, in der Wirklichkeit und Wirklichkeitsflucht ausverhandelt wurden, so ereilt einen dort heute die gesellschaftliche Umnachtung auch dort. Auch das Kino ist zu einem Subsystem der staatlichen Belehrung geworden. Flucht aus dem Alltag darf nicht mehr sein.
Was? So schlimm ist es inzwischen?