Reginald Schwarzlicht ist Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift „Spy International – Vierteljahresmagazin für Spionologie“. Im Interview erörtert er die dunklen Seiten des Spionagegeschäfts, Strategien für deren Aufhellung und warum sich das Magazin auch der Alltagsspionage widmet. Das Gespräch mit dem renomiertesten Spionologen Deutschlands führte Ronald Lichter.
RL: Herr Schwarzlicht, ihr Magazin beleuchtet das Dunkelfeld der Spionage, zumindest in Teilen. Wie beleuchtet man die dunkle Seite des Mondes?
RS: Indem man hinfliegt und eine Taschenlampe drauf hält.
RL: Äh, ja. Ich meinte eigentlich, wie kommen sie an jene Informationen, die immer wieder für internationales Aufsehen sorgen, sobald ein neues Heft ihrer Zeitschrift erscheint?
RS: Quellenstudium. Wir verfolgen aufmerksam die Lokalpresse in den uns interessierenden Regionen und extrahieren aus dem journalistischen Geschwurbel jene Informationen, die eine Spur zu den Schweinereien der Regierungen bieten könnten. Fleißarbeit. Mehr ist da nicht dran.
RL: Schweinereien der Regierungen. Ein gutes Stichwort. Spionage ist doch in den meisten Ländern erlaubt?
RS: Das schon, aber nur insoweit es die der eigenen Kräfte gegen die Feinde umfaßt. Nehmen wir mal ein Beispiel. Aus der Sicht der deutschen Regierung darf der BND überall spionieren, wie es ihm beliebt. Das geht okay. Spione aus anderen Ländern sind in Deutschland jedoch nicht gerne gesehen, da steht das Strafgesetz vor. Ein erhebliches Ungleichgewicht.
RL: Das verstehe jetzt, wer will. Nochmal zurück zu den Schweinereien der Regierungen. Wenn Spionage erlaubt ist, wieso muß man dann darum soviel Gewese machen?
RS: Weil unsere Regierungen so blöd waren, dem Spionagehandwerk ein Regelwerk zu verordnen. Wenn es ein Regelwerk gibt, muß es auch jemanden geben, der auf dessen Einhaltung achtet. Genau das machen wir.
RL: Wie würden sie ihre Tätigkeit einordnen, den Fokus ihres Magazins charakterisieren?
RS: Nun, wir betreiben Spionologie, also die wissenschaftliche Erforschung der Spionage. Darüber hinaus beschäftigen wir uns auch mit Alltagsspionage und Lebenshilfe.
RL: Können sie uns ein Beispiel dafür nennen?
RS: In einem unserer letzten Hefte hatten wir einen größeren Beitrag über jenen Fall, wo der Hallenwart einer Schwimmhalle eine Spionagekamera in der Frauendusche angebracht hatte. Eigentlich sogar mehrere, aber das ist unerheblich. Jetzt komme ich noch einmal auf o.g. Umstand der Ungleichgewichtigkeit zurück. Hätten dies BND oder Verfassungsschutz getan, wäre es folgenlos geblieben. Ein Hallenwart darf diese aber nicht. Außerdem hat er einen großen Fehler gemacht. Er hat die Observationsvideos auf ShowerLeaks veröffentlicht. So ist er aufgeflogen und letztlich verurteilt worden.
Wir haben den Fall in seiner gesamten Dimension recherchiert und sind zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen, die das Bild von Spionage, wie es in der Öffentlichkeit existiert, komplett auf den Kopf stellen. Wir ließen von der Firma SpyMindControl, die sich auf Umfragen zu Spionage und Spionageabwehr spezialisert hat, eine soziologische Stichprobe ziehen, deren Ergebnis uns verblüfft hat. Von den 1000 befragten Personen äußerten 990, daß sie keinerlei Probleme mit den Überwachungsvideos aus der Frauendusche hätten. Nur eine einzige Person empfand dies als Sauerei und sowas gehöre bestraft. 5 Personen mäkelten an der Qualität der abgebildeten Damen und meinten, die Videos hätte man auch weglassen können, denn die Frauen sehen kackhäßlich aus. Und gerade mal 4 Befragte äußerten, daß Frauen unter der Dusche sie nicht anmachen würden. Das ist sicher Geschmackssache.
Schon dieses Beispiel zeigt, daß Spionage nicht gleich Spionage ist, komplexer als wir uns es vorstellen können, und nicht zwingenderweise negativ behaftet. In dem von uns untersuchten Fall ist sie ausgeprochen positiv bewertet worden. Da ist dann auch der Gesetzgeber gefragt. Wenn Spionage, z.B. in einer Frauendusche, einen solch positiven Widerhall in der Bevölkerung findet, ist schwer vorstellbar, daß eine Bestrafung selbiger dauerhaft durchgehalten werden kann.
RL: Apropros Vorstellung. In ihrem aktuellen Heft stellen sie ein hoch brisantes Thema zur Diskussion. Ich verweise auf den Artikel zu den „Dirty Target Operations Task Force“, kurz DTOTF. Sie haben einige Fälle publiziert, die sich in den USA ereigneten, in denen die Regierung oder Regierungsstellen angeblich unter Umgehung von Gesetzen schmutzige Operationen durchführten, die den Tod von einigen Beteiligten zur Folge hatten. Wäre so etwas auch in Deutschland denkbar?
RS: Denkbar ist alles. Da hindert sie niemand dran. Höchstens sie selbst. Die langjährige Beschäftigung auf dem Gebiet der Spionologie bringt es mit sich, daß man nicht mehr überrascht werden kann, zumal ja das Credo unseres Wissenschaftszweiges lautet: Wir trauen jeder Regierung dieser Welt jede Schweinerei zu, sei sie auch noch so schweinisch.
RL: Was können sie uns zu den DTOTF sagen, ohne ihrem nächsten Heft vorzugreifen, in dem der zweite Teil ihrer Enthüllungen publiziert werden wird? Wie sind sie eigentlich auf dieses Thema gekommen?
RS: Da hat uns jemand einen Tipp durchgereicht. Den haben wir hinterfragt, uns durch etliche Aktenberge gewühlt und schließlich unsere Schlußfolgerungen gezogen.
Wie es entstanden ist? Erinnern sie sich an die Schlußszene aus „Sieben“? Der Cop, es war Bard Pitt, bekam den abgetrennten Kopf seiner Frau per Postboten auf einem Acker zugestellt. Erinnern sie sich an das inhaltsleere, starre Gesicht, daß er machte, als er dann im Auto saß?
Mir wurde berichtet, daß ein hochrangiger FBI-Beamter den Film gesehen hatte und ihm dabei die entscheidende Idee kam. Das wäre was, wenn ich eine kleine Truppe solch desillusionierter Leute hätte, die zu jeder Schweinerei fähig sind. Hoch qualifiziert, diszipliniert, fit, intelligent, aber innerlich ausgebrannt, des Lebenssinns beraubt, nur noch Rache und Zorn durchs Leben schleppend. Wenn man sowas hätte, dann könnte man denen wieder eine Perspektive geben, ihrem Leben einen Sinn geben, sie langsam therapieren.
So dachte er sich das und setzte es auch um. Er ließ landesweit über sein umfangreiches Filialnetz nach solch ausgebrannten Typen suchen und hatte Erfolg. Er stellte ein Trupp verwegener Burchen zusammen, der nur eines kann, Töten. Das aber richtig gut.
RL: Das ist doch aber selbst nach USA-Gesetzen verboten.
RS: Jein. Nehmen wir ein Beispiel. Wenn sie Präsident der USA sind, dann haben sie umfangreiche Machtbefugnisse, die Finanzen mal ausgenommen. Da blutgrätchen die Gegenspieler gerne und ausgiebig, weil sie es angeblich besser wüßten und könnten. Das mit dem Geld ausgeben und umverteilen. In allen anderen Dingen ist gut Truthahn essen. Da ist man sich einig.
Es stört also überhaupt niemanden, wohlgemerkt, solange man Präsident ist, wenn der sich ein Mordkommando aus bestens ausgebildeten Elitesoldaten zusammenstellen läßt, diese mit der teuersten Technik austattet, um über sie seinen Mordtrieb zu befriedigen, so wie dieses Jahr geschehen. Es stört auch niemanden, daß es für diesen Mord Beifall vor laufender Kamera gibt, wie z.B. vom Bundeskanzler Merkel. Es sört sich auch niemand dran, wenn der Präsident der USA amerikanische Staatsbürger per Killerspiel ermorden läßt. Die beim Militär verwendeten Killerspiele haben gegenüber den Billigversionen aus der Computerspielecke des Kaufhauses ein Highend-Level, das der Billigplunder nicht aufbieten kann. Bei denen hängt am Ende eine mit Waffen bestückte Drohne, die ihre tödliche Last auf dem Ziel ablädt.
RL: Ja, äh, also das ist ja sehr interessant, aber wir schweifen wohl vom Thema ab...
RS: Eigentlich nicht.
RL: Wir wollten doch die „Dirty Target Operations“...
RS: Sind wir ganz nah dran. Ich habe die hochoffiziellen, die präsidialen aufgezeigt, um deutlich zu machen, wie leicht es ist, solche Operationen durchzuführen, wenn man die Macht über das Militär und über unbegrenzte Geldmittel verfügt. Unterhalb dieses Levels wird es schon weitaus schwieriger aber eben nicht unmöglich. Dafür wurde die DTOTF ins Leben gerufen. Das, was ein Präsident darf, dürfen wir schon lange, ein leidiges Problem aus der Welt schaffen.
Statt kriminalistischer Fleiß- und Puzzlearbeit ist der schnelle Finger am Abzug oder Fernauslöser gefragt.
RL: Ich kann mir schwer vorstellen, daß es sowas auch in Deutschland gibt.
RS: Da sind einige ihrer Kollegen schon deutlich weiter. Sie stellen zumindest die richtigen Fragen.
Gibt es irgendwo eine ordnende Hand, die irgendwie dem grausamen Treiben von aus dem Ruder gelaufenen Nazis ein Ende machen wollte? Die notwendige Beweise für gewünschte Ermittlungsergebnisse konzentrierte und auf weitere Zeugenschaft verzichten wollte? Absurd? Ja. Aber nicht unmöglich.
Das ist der Ansatz, der verfolgt werden muß.
Haben sie sich mal gefragt, warum bis zum heutigen Tag nichts, aber gar nichts zur Tätigkeit der KSK bekannt ist? Oder, um es noch präziser zu formulieren. Welchen Tätigkeiten gehen ehemalige KSK- oder GSG9-Angehörige heute nach? Riester-Renten verhökern? Kaum.
Beantwortet man sich diese Fragen aus der Sicht eines Thrillerautors, dann sind sie längst beantwortet. Die Frage lautet nicht, gibt es sie, sondern: Wie haben sie es angestellt?