6. Januar 2012

die Causa Wulff - präsidiales Versagen

Ich gestehe, die deutschen Medien erpreßt zu haben. In aller Öffentlichkeit. Das war mein Fehler. Ich hätte ihn ihre Anrufbeantworter zulabern müssen. Vielleicht hätten sie dann reagiert. Vor unzähligen posts mahnte ich selbige an, sich dem präsidialem Versager zu widmen. Bis heute verweigern sich deutsche Qualitätsmedien mit einer Sturheit sondergleichen, die schlampige Amtsführung des Schloßherren aufzuarbeiten.

Man mag nur fleißig all jene Gesetze zusammenzählen, die er ausgefertigt hat und die ihm nebst seiner Bande anschließend vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig um die Ohren gehauen wurden. Da hat er genug Dreck am Stecken, den er nicht haben müßte, wenn er sein Amt gewissenhaft ausfüllen würde.

Es geht um die Verhältnismäßigkeit in der Berichterstattung. In den Kellern der Medien wurde der Sachverhalt im Grunde berichtet. Selbst der Spiegel hatte damals an der Amtsführung des Bundespräsidenten erhebliche Zweifel. Vor 4 Wochen, als er auf Wunsch von Jahn das Stasisondergesetz ausfertigte, ein Gesetz, mit dem die Arbeitsgesetzgebung des Landes ausgehebelt wird.

Man kann ja über Birthler oder Gauck sagen, was man will, aber an einen solchen Brocken, frühere Mitarbeiter des MfS per Sondergesetz aus ihrer jetzigen Tätigkeit zu katapultieren, einen solchen Brocken wollten die dann doch nicht schlucken. Sie nannten ihn Gauki, seine professoralen Kollegen und die Studenten, schrieb ich mal hier im Blog. Eine schlimmere Beleidgung war an der Uni Rostock kaum noch möglich. Es sagt eine Menge über die Qualitäten dieses Mannes aus. Ich halte ihm allerdings streng zugute, daß er gewisse Dinge eben nicht gemacht hat. Mit dem Feingeist Jahn ist so etwas machbar.

Wenn mich mal jemand fragen sollte, in was für einem Land ich nie leben möchte, dann ist die Antwort eindeutig. In einem Land, in dem feingeistige Bürgerrchtler das Sagen haben.

Bis heute bleiben uns also die Medien eine sachkundige und fundierte Analyse präsidialen Versagens schuldig. Um das klarzustellen, auch ich werde sie nicht anfertigen, dazu bin ich zu faul. Stattdessen werden wir nach wie vor mit Belanglosigkeiten aus dem Leben eines Taugenichts gefüttert, die uns vom Wesentlichen ablenken sollen. So unter anderem davon, daß es sich in der Causa Wulff sehr wohl um einen Machtkampf handelt, der zu einem Selbstläufer geworden und nicht mehr beherrschbar ist, weil er nun sein Eigenleben führt.

Mag es am Anfang der Geschichte hehre Motive gegeben haben, einige Ungereimtheiten aufzudecken, damit man die Story hat, so wuchs die Story im Laufe der Zeit allen Beteiligten über den Kopf.

Bedenkt man, welch geringen Rückhalt Wulff inzwischen in den eigenen Reihen hat, gar keinen mehr, dann stellt sich doch die Frage, welch mittelfristiges Kalkül dahinter stecken mag. Zumindest zwei fallen mir auf Anhieb ein.

1. Ein Rücktritt, Abdanken Wulffs wäre ein formidables Disaster für die Schwarzgeld-Regierung. Ein neuer Kandidat, der ihren Profilansprüchen genügt und pflegeleicht ist, wird nicht zu finden sein. Man muß die paar Jahre mit ihm überstehen. Am besten hilft da immer noch, den Schnabel zu halten, damit man nicht selber in den Strudel reingerissen wird.

2. Unterstelle ich den Regierenden ein gewisses Maß an politischem Instinkt, dann haben sie die Ahnung, abgewirtschaft zu haben, was impliziert, daß sie 2013 vom Hof gejagt werden. Der nächste Bundespräsident wird eh einer, auf den sie keinerlei Einfluß mehr haben. Jede Kraftanstrengung in diese Richtung wäre also vergeudet.

3. Im Wissen um 2. muß eine Person herausgehoben werden, die in den letzten zehn Jahren etliche Männer weggebissen hat. Merz, Koch, Stoiber, Wulff, um nur einige zu nennen. Ihr kann die gegenwärtige Situation nur recht sein. Sie profiliert sich als wahres Staatsoberhaupt, als unabhängig und überparteilich. Das "Dafür schätzen sie die Bürger" lasse ich mal weg, der Satz ist Schrott. Es muß im Interesse von Merkel sein, daß die Situation so ist, wie sie ist. Besser könnte es für sie nicht laufen. Sie hätte eine Perspektive für nach 2013.

Man kann es also drehen und wenden, wie man will. Aus der Sicht des heutigen Tages bleibt Wulff im Amt. Bis ein neuer da ist.