Bis heute Mittag dachte ich noch, das Internet sei ein Hort der Nächstenliebe, des Anstands und der Moral. Mit Ausnahme der vom Spiegel enthüllten Ungeheuerlichkeit, daß es im selbigen vor Bombenbaubastelanleitungen nur so wimmelt. Ich habe mich auch redlich befleißigt, derer fündig zu werden, bin mir allerdings ob der immensen Menge in meinen Preferenzen nicht mehr schlüssig, so daß ich das Thema nicht weiter verfolgen werde. Zumal es im Baumarkt und der Apotheke um die Ecke doch nicht alle Materialien zu erwerben gibt, die ich benötigen würde.
Bis heute Mittag war für mich die Internetwelt also noch in Ordnung. Es vermittelte mir Geborgenheit, Sicherheit und Lebenshilfe, wenn ich verzweifelt nach Problemlösungen suchte.
Dann las ich allerdings:
SPIEGEL ONLINE - 29. August 2006, 18:18
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,druck-434203,00.html
Terror im Internet
Al-Qaidas deutsche Lautsprecher
Von Yassin Musharbash
Und nun weiß ich nicht mehr weiter. Jetzt gibt es den Terror nicht nur auf deutschen Bahnhöfen, in Bastelanleitungen, sondern nun auch im Internet.
Ich bin ernsthaft am Überlegen, nicht mehr ins Internet zugehen, wenn sich die Terroristen inzwischen da rumtreiben. Bahnhöfe meide ich schon.
Es sieht wohl so aus, daß das Internet nicht nur für die Verbeitung von Häkelanleitungen und Kochrezepten genutzt wird. Wenn ich diesen Artikel ernst nehme, dann sollen wohl auch Mitteilungen der "irakischen Qaida" veröffentlicht worden sein.
Btw, damit ist ja zumindest geklärt, daß Al Kaida eine weibliche Person ist, die aus dem Irak kommt.
SPON hat, wie in solchen Fällen zu 99% üblich, vor lauter Exklusivaufregung vergessen, die Quelle bekanntzugeben, unter der diese Mitteilungen nachgelesen werden können. Mit einem 404-Fehler inzwischen nicht mehr erreichbar, war das http://gimf-deutsch.blogspot.com.
Und dann geht die Märchenerzählerei wieder los.
"Mindestens drei Sicherheitsbehörden ist die deutsche "GIMF"-Seite übrigens bekannt: 'Wir schauen von Anfang an mit drauf', sagt ein Beamter. Sie halten es schon wegen des Umfangs des Materials für nicht unwahrscheinlich, dass die Betreiber mehr als eine Person sind. Mehr als beobachten können sie sie aber nicht.
'Wir werden uns die Seite nun sehr genau anschauen', kündigte 'Google Deutschland'-Sprecher Keuchel im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE an. 'Man muss gucken, ob die Inhalte gegen unsere Nutzungsbedingungen und deutsches Recht verstoßen, damit wir sehen, ob wir eine Handhabe haben, die Seite zu löschen.'
Etliche Experten bezweifeln allerdings, dass ein Sperren von Pro-Dschihad-Seiten Erfolg verspricht - mittlerweile gibt es Tausende von ihnen, und für jede gelöschte entstehen zwei neue. 'Man könnte vielleicht ein paar Leute erwischen', sagt etwa Thomas Hegghammer, ein anerkannter Experte für al-Qaidas Aktivitäten im Internet. 'Aber man wird nie in der Lage sein, den gesamten Fluss radikaler islamischer Propaganda einzudämmen.'"
Da haben wir es wieder. Ein Beamter sagt, ein Sprecher muß gucken und ein anerkannter Experte äußert sich.
Der Wunsch des Autoren wurde erhört. Die Seite wurde wahrscheinlich vom Beamten und Sprecher abgeschaltet, nachdem sie ein Expertenmeinung gehört dazu erhört haben.
Hab ich also am heutigen Tage doch noch was dazu gelernt in meinem Leben. Thomas Hegghammer ist ein anerkannter Experte für al-Qaidas Aktivitäten im Internet. Wußte ich nicht.
Und nur ganz nebenbei, beim Spagat zwischen Freiheit für dänische Karikaturen und Zensur für islamische Verkündungen hat sich der Spiegel in diesem Jahr förmlich den Arsch aufgerissen, daß dessen journalistisches Fäkulat wie explosiver Durchfall aus dem Redaktionsgedärm rauskrachte.
Denn nimmt man die im Artikel dürftigen Beispiele, dann gehört jede zweite Polizeimmeldung wegen ihrer explizizen Gewaltdarstellung verboten. Und wenn die Polizei mal ihren Schnabel hält, schildern die Blockwarte der Nation es BILD und SPON und die verbreiten es im Internet.
Sagt ein anerkannter Experte für deutsche Schrifttumsaktivitäten im Internet.