28. Dezember 2007

Tödliches Versprechen

Wer "Eastern Promises" so ins deutsche übertragen hat, gehört verprügelt.

Ich hatte drei unisono laudatorische Kritiken vorab zu diesem Film gelesen. Ginge es nach denen, dann gibt es so etwas wie Oscarverdächtigkeit, denn sie überschlugen sich in wohlwollenden Tönen zu diesem Film. Ergo packte ich die Gelegenheit beim Schopfe, also mich am Schlawittchen, und schleppte die müden Jahresendknochen in ein spärlich besuchtes Kino.

Jetzt, ein paar Stunden später stelle ich fest, daß der Film nur einen Effekt hatte, für gut 90 Minuten war ich voll in ihm drin, auf ihn konzentriert, in keiner Weise abgelenkt. Vom Blasendruck mal abgesehen.

Und die Kritiken sind durch die Bank für den Arsch, denn sie liefern eine vollkommen falsche Begründung für einen durchaus sehenswerten Film. Mitnichten wird das Leben der russchischen Mafia in London dargestellt, mitnichten das russischer Großfamilien. Und mitnichten hagelt es Kritik am FC Chelsea, der sich im Besitz eines russichen Milliardärs befindet.

Es ist einfach ein ruhiger dahin fließender Film, dem von der ersten bis fast zur vorletzten Sekunde die Gewalt aus allen Poren trieft, obwohl es nur drei sehr gut dargebotene Splatterszenen gibt, die nach deutschem Jugendschutz mit P16 zertifiziert sind.

Für Armin Mueller-Stahl kommt die Rolle des Patriarchen 10 Jahre zu spät. Das rettet er allerdings gerade noch so mit seiner Stimme. Die läßt den Mafiaboß gut rüberkommen.

Mortensen ist überragend in seiner Rolle. Eigentlich in seinen beiden, denn er spielt ja noch eine andere in dem Film.

Naomi Watts enttäuscht, sie hat keinen Raum für Entfaltungsmöglichkeiten bekommen.

Zusammenfassend:
Der Film ist keinesfalls reif für den Oscar. Ich habe schon weitaus bessere Filme mit schlechteren Kritiken gesehen. Er ist sehenswert, sofern man sich 90 Minuten auf subtil dargestellte Gewalt einläßt, ohne sie auf der Leinwand zu sehen.
In drei Szenen wird diese dann allerdings nach allen Regeln der Filmkunst ausgelebt, sprich filmisch zelebriert. (Die Kampfszene im Dampfbad ist schon genial. Da geht es richtig ans Eingemachte, sprich die Eingeweide.) Das ist dann nichts für Zartbesaitete oder Weicheier.

Und letztlich funktioniert der Film deswegen so gut, weil er vollkommen moralinfrei daher kommt, einen nicht belehrt oder zum Guten bekehren will.
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Es ist ein böses logisches Konstrukt ziemlich gen Schluß eingewoben, damit der Film die 90 Minuten nicht wesentlich überschreitet und eine vollkommen falsche Behauptung. Das lasse ich dem Regisseur so nicht durchgehen. Der Sohn des Patriarchen sagt am Ende des Films: "Das ist doch noch ein Baby. Wir töten doch keine Babys." Und handelt letztlich auch danach. Die Gesamtszene ist leider die schlechteste und am wenigstens überzeugende. Aber anders ist das schnelle Ende filmisch nicht hinzubiegen.

Das Schlimmste am ganzen Film ist aber, daß den deutschen Synchronsprechern ein russischer Akzent aberlangt wurde. Nicht durchgängig, sondern nur ab und zu. Man soll ja die ganzen 90 Minuten nicht vergessen, daß es sich um Russen handelt.
Das hat eine dermaßen schlechte Qualität (weil, die können kein Russisch), daß es einfach nur lächerlich ist.
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29.12. / 23:55

Auch böse Menschen kennen Lieder, heißt die Überschrift einer dreiseitigen Filmberedung. Ich hab einen anderen Film gesehen, als im Fazit des Artikels beschrieben wird.

"Die Dialoge sind von einem angenehmen Zynismus, der in seiner Klarsicht Anteilnahme und menschliche Wärme nicht ausschließt; die Gewalt ist für Cronenbergs Verhältnisse eher zurückhaltend, und der Zuschauer darf sich auch sonst auf manche Überraschungen freuen. Seine Bilder bleiben auf lange Zeit im Bewusstsein des Betrachters präsent."

Zynismus ja, aber Anteilnahme und menschliche Wärme finden im Film nicht statt und werden auch nicht ausgelöst. Mit einer einzigen Ausnahme. Es ist die Szene im Krankenhaus, als Watts Mortensen fragt, was er ihrem Onkel angetan hat. Armin Mueller-Stahl hatte Mortensen beauftragt, sich um diesen Onkel zu kümmern, da der zu viel wußte. Die Antowrt war cool. Mehr sei nicht verraten.

Die Gewalt ist eben nicht zurückhaltend, sondern trieft aus jeder Szene, ohne daß sie dargestellt wird. Ich wiederhole mich da gerne.
Und wenn sie dargestellt wird, dann knallhart. (für schlappe P16).

Ich habe zwar letzte Nacht den Film noch einmal gesehen, insofern war er also gut und es ist was hängen geblieben, aber so berauschend fotografiert war der Film nicht, daß da Bilder auf Dauer hängen bleiben.

Regisseur Cronenberg erklärt einiges wesentlich besser und klarer als der Filmkritiker, insbesondere die Funktion der 5 Minuten expliziter Gewalt.