http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,druck-567907,00.html
AHNUNGSLOSE SCHÜLER
DDR - ein Sozialparadies, keine Diktatur
Markus Flohr rohrspätzelt was das Zeug hält, weil Schüler nicht den Anforderungen der politischen Klasse* nach Delegitimierung der DDR und Entsorgung ihrer Geschichte (Kinkel) gerecht werden. Aber vielleicht sind sie ja gar nicht so ahnungslos. Sie haben nur nicht den vorgegeben Testkriterien entsprochen.
Seit nun fast 20 Jahren, eigentlich 63 (seit 1945), wird der Versuch unternommen, den Osten zu erklären, verklären und letztlich zu verkloaken. Und nu? Ein Disaster. Die DDR ist quicklebendiger und sozialer, als sie es je zu ihren Lebzeiten war.
Im übrigen bedeutet diese Propagandapleite nicht, daß der Wahrheitsgehalt der politischen Propaganda immens hoch ist, also die DDR Scheiße war. Es bedeutet eigentlich nur, daß die Menschen heute und hier leben. Und da muß ihnen eben so ziemlich jede andere Gesellschaft als Paradies erscheinen.
Nebst der Erstaunlichkeit, welche Langweiler zu diesem Thema aus der Gruft gezerrt wurden, die sich mehr oder weniger alle durch das von Spiegel & Co. verliehene Attribut "DDR-Bürgerrechtler"** auszeichnen. Z.B. Eppelmann. War seit jeher zum Einschlafen. Oder Lengsfeld. Die animiert in nicht mal einer Sekunde zur Republikflucht. Usw.
Ist wie in der amerikanischen Werbung, da glaubt man auch bedenkenlos, wer Coke säuft bekommt große Titten und was der Arzt raucht, kann nur gesund sein.
Da habtas, ihr Pappnasen.
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* nicht im Sinne von Klasse als bravo, super oder oberaffengeil, sonder nur als Sammelbegriff gemeint, also als Schimpfwort
** Kein anständiger DDR-Bürger hat jemals einen anderen DDR-Bürger den Titel Bürgerrechtler angepappt, das haben alles etablierte westdeutsche Medienkonzerne gemacht. In ihrer Gnade lag es, wer sich mit dem Titel schmücken durfte und wer nicht. So viele waren's dann auch nicht, die meisten von ihnen haben es dankend angenommen, ohne zu merken, daß sie bis heute nützliche Idioten geblieben sind.
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[edit 26.07.]
Der »Spiegel« widmete letzten Montag, am 21. Juli, Dirlewangers Anteil an der Niederwerfung des Warschauer Aufstands von 1944 einen langen illustren Artikel... Es geht um KZ-Häftlinge, die in Strafeinheiten wie die 999er, doch auch zu Hunderten in die Dirlewangertruppe geholt wurden. Das Magazin informiert, fast 20 von ihnen sollen später »das Ministerium für Staatssicherheit mit aufgebaut haben, eine Repressionsbehörde besonderer Art«.
Dieser Vergleich von SS-Dirlewanger und der Stasi ist so falsch wie infam, passt aber in die neonationale Verlogenheit. Der letzte »Spiegel«-Satz dazu lautet: »Andere stiegen auf in ›sogar höchste Funktionen‹ – einer, Alfred Neumann, wurde gar Mitglied des Politbüros.« Womit das Agitations-Muster klar ist. Zuerst der Massenmörder Dirlewanger, am Ende das Politbüromitglied Alfred Neumann.
Was man dagegen wissen muss: Die KZ-Häftlinge gingen nicht freiwillig zu Dirlewanger.
... wer mehr von der Widerstands-Tragödie dieser Genossen wissen möchte, die Hitler von Anfang an bekämpften, der lese »Das große Dilemma – Leipziger Antifaschisten in der SS-Sturmbrigade Dirlewanger« von Jutta Seidel.
So viel auch für den »Spiegel« zur Aufbesserung historischer Kenntnisse. Dies ebenfalls jenem fahneneidtreuen Wehrmachtsoffizier, der den Krieg trotz besseres Wissens bis zur letzten trüben Stunde fortsetzte und sich kürzlich vor dem Reichstag jungen Rekruten als Vorbild präsentieren ließ.
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Ich unterliege der Gnade später Geburt und kann mit der Lebenserfahrung eines Gerhard Zwerenz nicht mithalten. Ich schleppe seit meiner Kindheit allerdings den Makel fehlerhafter Sozialisation mit mir rum. Übrigens keine allzu schwere oder betrübliche Last.
Als Augen- und Ohrenzeuge kann ich zwei Dinge bestätigen.
Mit eigenen Augen habe ich gesehen, daß man von der Gestapo zum Krüppel gefoltert wurde. Ich war 19 (sic!), die betreffende Person lag bereits im Sterbebett und hatte nur noch zwei Wünsche. Ich möge ihn noch einmal rasieren. Er wollte ordentlich von dannen ziehen. Und ich mußte ihm versprechen, dafür einzustehen, daß so etwas nie wieder passiert. Das Versprechen habe ich gehalten.
Und als Ohrenzeuge bekam ich Lauscher wie ein Hase, als auch Augen wie ein Karpfen, als ich sah, daß der Besucher aus Westdeutschland in der karg bemessenen Zeit nichts besseres zu tun hat als das Buch "Die Lebenden und die Toten von Simonow zu verschlingen. Ganz nebenbei erwähnte er seinen bescheidenen Beitrag zu einem ganz anderen Buch. Den Werdegang und die Erlebnisse der Strafbataillone der Wehrmacht, kurz 999er genannt. Insofern war die Zwerensche Spiegel-Nachilfe für mich nicht neu.
Mit solcher Sozialisation in jungen Jahren ist man auf sehr lange Lebenszeit immun gegen die inhaltsleere Schreibe des Spiegel und kann auch der bundeswehriellen Huldigung eines Helmut Schmidt nicht all zuviel Gutes abgewinnen.
Ich glaube, für die Verteidigung des deutschen Vaterlandes am Hindukusch bin ich ziemlich untauglich. Und nicht mal böse drüber.
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