23. März 2010

Wann schalten Sie Ihren Werbeblocker ab?

So fragt Frank Patalong gestern am Ende seines Artikels.

Am Anfang wird das Lied vom Tod des Premiumcontentqualitätsjournalismus gesungen. In der Mitte werden die medienaffinen Nutzer als perfide beschimpft und unterm Strich würde mich brennend interessieren, welche Droge einen solchen Schriftsatz gebiert. Die scheint nämlich langfristig die Verblödung zu fördern.

Wann ich die Werbeblocker abschalte? Natürlich nie, dazu funktionieren sie viel zu gut. Ich habe im übrigen zwei verschiedene im Wirkbetrieb.

Stellt man Internetnutzer vor die Wahl, ob sie Anzeigen akzeptieren oder für Informationen zahlen wollen, ziehen sie Werbung vor. Immer mehr User verweigern allerdings beides - und gefährden damit den Fortbestand kostenloser Angebote im Netz.

Der Artikel geht von einer fehlerhaften Prämisse aus und unterstellt, und das ist das eigentlich perfide, den Nutzern, sie seien Schuld am Niedergang des Abschreibejournalismus. Die These lautet, auf ihren Sinngehalt reduziert: Die user gefährden den Fortbestand kostenloser Angebote im Netz.

Herr Patalong, Der Spiegel hat zwar schweinisch hohe Klickraten, weil das CMS Seiten produziert, wo man viel klicken muß, um überhaupt zu wissen, worum es geht. Das machen alle Medien so und deswegen nervt es auch fürchterlich, wenn man liest

- lesen sie auf der nächsten Seite
- klicken sie die Fotostrecke durch
- die besten Sprüche von BlaBlubb mit 20 Klicks usw.

Das geht alles anders, ist aber so gewollt. Nehmen wir nur die unseligen Fotostrecken mit ihren grottenschlechten Bildern, die bei Spiegel, focus, stern und BILD so beliebt sind. Die Big Pictures des Boston Globe zeigen ja wohl, daß es anders und fotografisch 5 Klassen besser geht.

Leser zu beschimpfen aber ist ebensowenig zielführend wie Mediaagenturen und Anzeigenkunden dafür zu kritisieren, dass die für Werbung im Netz so wenig zahlen. Märkte reagieren in der Regel weder auf Appelle noch auf Drohungen.

Das schrieb Christian Stöcker vor gar nicht langer Zeit. Auch auf SPON.

Am besten hat es wohl Felix Knoke, komischerweise ebenfalls auf dem Klickportal Spiegel dargestellt.

SPIEGEL ONLINE 22. Dezember 2009, 10:21 Uhr
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,druck-667650,00.html
Nerdistans Ende
Das Internet gehört den Normalos

Durch schiere Masse zwangen die klickenden Karls und scrollenden Susis etwa die Unterhaltungsindustrie erst nah an den Bankrott, dann zum Umdenken, befreiten Herrschaftswissen aus der Hand einiger weniger Institutionen, errichteten in Form immer umfangreicherer Foren, später Community-Lexika, ein in jeden Bereich hineinreichendes Beratungsnetzwerk und entrissen damit Professionen und Institutionen die Definitionsmacht darüber, wer krank, im Recht oder falsch beraten ist.

Wer bei all dem Trubel allerdings auf der Strecke blieb, war die Internet-Avantgarde von damals: Die mitunter langhaarigen, Cordhose-tragenden Nerds (Typ: Richard Stallman) oder ordentlich gescheitelten Cordhosenträger (Typ: Bill Gates) der achtziger Jahre.

Es waren nicht die Nerds - nicht die alten, nicht die neuen - die das Internet zu dem gemacht haben, was es heute ist, sondern die Normalos: Sie waren es, die den Alltag ins Netz und das Netz in den Alltag brachten.

Denn nicht etwa in den stickigen Nerd-Gefilden der Insiderboards, IRC-Chats und Mailing-Listen, sondern bei MySpace und Geocities, bei YouTube und Facebook erblühte ein ganz alltäglicher Umgang mit dem neuen Kommunikationsmittel. Und nirgendwo anders lässt sich die Alltagwerdung des Internets besser nachvollziehen, als in diesen Zentren der Normalität. In ihnen ergriff das gemeine Volk nicht die Herrschaft über die Kontrollinstanzen, sondern die Definitionsgewalt über sich selbst: Ich mach mir mein Bild, wie es mir gefällt.


Verbleibt noch der Ratschlag an Herrn Patalong, den ich gestern auch Herrn Obermann erteilte. Wenn ihr solch tollen Primatencontent habt, dann verkauft ihn doch für gutes Geld, statt ihn als Kostenloskultur zu verschenken.