21. Oktober 2010

hart aber fair - für zehn Watt mehr

Hart war das Konzert. Sehr hart sogar. Fair war das Publikum zur Vorband (support act). Die schafften keine zwei Titel hinternanderweg zu spielen und betonten etliche Male, sie kämen aus Nordostengland. In Deutsch. Die Band überstand ihre halbe Stunde ohne Pfiffe und mit höflichen Applaus beim Abgang.

Ich weiß ja auch nicht, warum englische Nachwuchsschrammler immer wie The Clash klingen wollen müssen. Müssen sie eigentlich nicht.

Das mit den Vorbands ist auch so eine Sache, die man sich überlegen sollte. Oftmals vollkommen überflüssig, manchmal hilfreich. In wenigen Fällen kann man sich sogar die Hauptband sparen. Ging mir mal bei U2 im Olympiastadion so. Die Vorband war Klasse und hat ordentlich Dampf gemacht (Die Toten Hosen), dann kam U2 und langweilte sich ins Konzert rein. Bin ich nach dem dritten Titel aufgestanden und nach Hause gefahren. Damals, vor 20 Jahren, ging das noch. Die Preise waren halbwegs erträglich.

Gestern bin ich zwar nicht aufgestanden, weil leicht infektiös und fürchterlich mit Katarrh gehandicapt, doch auch im Sitzen habe ich ein Konzert vom anderen Stern erleben dürfen. Linkin Park hatte zum Auftakt ihrer Welttournee in die bekackte O2-World zu Berlin geladen und einen kometenhaften Start hingelegt.

Kurz nach 21 Uhr ging der Krawall los. Au Scheiße, dachte ich nach den ersten beiden Akkorden, jetzt kommt schon wieder so 'ne Klangbrühe hier hochgeschwappt, das kann ja sehr anstrengend werden. Aber denkste. Beim dritten Titel war die Anlage und damit die gesamte Halle eingepegelt und knackiger Sound durchpflügte die Luft, hin- und wieder von leicht süßliche Düften begleitet. Da ging wohl eine Tüte durch die Reihe vor mir. Es geht also doch, die Halle von O2 mit wohlfeilem Klang zu befüllen, es müssen nur die richtigen Leute am Steuerpult sitzen.

Mit einer sehr guten Setlist bot Linkin Park vier verschieden Alben dar, die sie mittlerweile auf ihrer Schaffensliste versammelt haben. Besonders gefallen hat mir "No more sorrow", das unter heftigstem Schlagstockeinsatz aller Bandmitglieder zelebriert wurde. Edel, sehr edel. Einen solchen Schlagstockeinsatz halte ich für sehr tolerabel, bei anderen bin ich da eher skeptisch.

Gestutzt habe ich, als "Crawling" dargeboten wurde, einstmals einer der härtesten Vorträge der Band. Gestern kam er als Schlager der Woche daher. Man kann erahnen, um wieviel härter sie ihrer beiden letzten Alben aus den Boxen scheuchten. Unter Einsatz von 10 Watt mehr. Das, so denk ich mal, geht kaum mit Ökostrom, das, so schien mir, geht nur mit Atomstrom, denn welche andere Herstellung von Strom kann schon in dermaßen kurzer Zeit dermaßen viel Watt bereitstellen, mit denen gestern Abend geklotzt wurde. Im Gegensatz zur Meinung von Herrn dpa, der wohl beim Pinkeln seine Agenturmeldung verschickte, gab es allerdings keinen ruhigen Titel während des Konzerts.

Der Unterschied zur glanzlosen Vorband bestand dann u.a. auch darin, daß die Amerikaner ihr Konzert 90 Minuten am Stück durchgezogen haben, keine Gequatsche zwischendurch, kein "Guten Abend Berlin, wir lieben eure Stadt" und solches Gesülze, kein überschwenglicher Abschied. Like Bob Dylan. Like I like it. Fast. Denn selbst Bob Dylan läßt sich ja inzwischen zu einem "Guten Abend Berlin" hinreißen. Mit Linkin Park passiert das nicht.

Vor fast zweieinhalb Jahren notierte ich im kulturellen Teil des Blogs:

Linkin Park ist das Beste, Härteste, Brachialste und Krachigste, was die USA zur Zeit im Auslandseinsatz haben.

Die härteste Band der Welt ist Linkin Park. Und diesen Platz kann der Band momentan niemand streitig machen.


Dazu stehe ich immer noch und setze als Berliner einen drauf. Vielleicht sind Linkin Park zur Zeit die beste Band der Welt. Zumindest solange Die Ärzte pausieren.

Konzert-Wertung: keine Wertung, da es sich jeder Richterskala entzieht

Und in ca. 4 Wochen kann ich mir auch das Bootleg auf meine Kiste ziehen. Die 10 Euro sind sehr gut vorgeschossen. Nur nebenbei, das gestrige Ereignis hätte durchaus für den offiziellen Tourmitschnitt gereicht. Den Fehler der letzten Tournee mit dem total abgefuckten englischen Mitschnitt (Kent - Project Revolution) würden sie damit nicht mehr wiederholen.