9. Oktober 2010

weil du heut Geburtstag hätts't

Reiner Oschmann

Seit Jahr und Tag gibt es eine unersättliche Beatles- und eine Multi-Million-Dollar-Lennon-Industrie. Ohne die sind – wenn auch nicht allein – die anhaltenden Pilgerfahrten nach Abbey Road nicht zu verstehen, wo die Beatles in Studio 2 rund 90 Prozent ihrer Aufnahmen einspielten. Diese Industrie braucht und puscht Geburts- und Todestage. Sie hat sich dabei noch nie von der Abneigung abschrecken lassen, die manches Objekte der Begierde gegen solche Vermarktung äußerte.

Hab keine Zeit, sonst würde ich noch ein längeres Elogenlaborat verfertigen. Vielleicht heute abend.
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Lieber John,

ich habe jahrelang alle deine und eure Lieder bei DT 64 und Stimme der DDR mitgeschnitten, erst auf Kassette später auf einer Tesla Bandmaschine. Ich habe keine Mühne gescheut, die Schule zu schwänzen, um eure AMIGA-Schallplatten zu erwerben, denn die waren entweder Zufallskauf, Bück- oder guter-Kunde-Ware. Ein guter Kunde war man, wenn genug Bücher vorab über den Ladentisch gewandert waren, was in der DDR nicht weiter schwierig und finanziell belastend war, denn gute Bücher gab es zuhauf und preiswert dazu. Heutzutage überlege ich mir fünfmal, ob ich ein Buch kaufe, denn leider gibt es viel zu viel bedrucktes Klopapier und das auch noch zu vollkommen überteuerten Phantasiepreisen. Klopapier krieg ich woanders preiswerter. Da muß ich nicht in einen Buchladen gehen.

Später dann, als die Republik zwangsverheiratet und als Mitgift die Deutschmark verteilt wurde, da habe ich eure Kassetten gekauft. Nach dem Erwerb meines ersten CD-Abspielgerätes, hab ich das mit den Kassetten wieder verworfen, bin in die Läden gegangen und habe jede CD erworben, wo Beatles oder John Lennon drauf stand.

Dann wurde das Geld knapp, aber ich hatte ja alles, was ich von euch brauchte, bis die Bankmanager von Apple auf die Idee kamen, ihre Gelddruckmaschinen in der Abbeyroad wieder anzuwerfen und die Beatles in einer neuen, restaurierten und für anspruchsvolle Anlagen und Ohren tauglichen Version auf den Markt zu werfen.

Habe ich wieder die Geldbörse gezückt, Protemonaie kann ich nicht schreiben, deswegen diese alte deutsche Wort, hab in das Fach mit den ganz großen Scheinen gegriffen und mir diese Version zugelegt.

Und nun du auch. Oder besser gesagt, dein alter ego, die so egoistisch ist, dein Gesamtschaffen von der gleichen Truppe putzen und aufhübschen zu lassen, die auch deine Beatles-Songs veredelte. Nur gibt es einen Unterschied, Paul und Ringo leben und können das Geld vielleicht gut gebrauchen. Du bist tot und hast nichts mehr davon.

Also John, alter Working Class Hero, was würdest du eigentlich dazu sagen, wenn man mit 40 Jahre alten Kamellen seine Rente aufbessert, statt selber ein Kunstwerk in die Welt zu setzen? Ich weiß, Yoko hat einen beschissenen Musikgeschmack (Die Ärzte), was fast ausschließt, daß sie berechtigt ist, Hand an deine Werke zu legen.

Laß gut sein John, ich komm schon damit klar, daß du Grabstättenpflegegeld benötigst. Ich laß mir was einfallen, um mir Gutes zu tun.