30. Juni 2011

am Ende siegen immer die Nazis

Schon mit "Daemon" hatte Daniel Suarez einen fulminanten Game-Thriller auf die kriminell eingestellte Leserschaft losgelassen, der es in sich hatte. Selbst nicht so sehr an den Innereien von Computern und Netzwerken interessierte Kriminale waren mit den technischen Beschreibungen und Einflechtungen an keiner Stelle überfordert und wurden fachkundig immer die Leimspur entlang geführt. Die Leimspur gab es zwar nicht, ein paar Verästelungen, die Verwirrung stiften sollten, doch nie taten, da der Autor das Thema viel zu geradlinig entwickelt hatte.

Kurz und gut. Ein versierter Programmierer hatte einen Daemon geschrieben und in einem weltweit beliebten Online-Spiel versteckt, der sich durch ungeahnte Raffinesse auszeichnete. Als der Programmierer an Krebs verstarb, übernahm der Daemon weitestgehend die Kontrolle über viele Rechenvorgänge und Datentransporte im Internet, was viel Heil und Unheil im richtigen Leben hervorrief.

Die Jagd auf den Daemon beginnt. Besser, die Jagd darauf, ihn zu kontrollieren, zu bändigen bzw. ihn auszulöschen.

Das Faszinierende an dem Roman war die enge Verflechtung von Realität und virtueller Welt, wobei... Ein Buch ist ja selbst nur virtuell, flüchtig, nicht wirklich, findet in meinem Kopf statt, ist bedrucktes Holz.

Zum Ende hin war das dicke Ding so hin geschrieben, daß es geradezu nach einer Fortsetzung rief, denn einige Handllungsstränge hatte Suarez offen gelassen, die man mit eigener Phantasie oder 9,90 € für den zweiten Band schließen konnte.

Der zweite Band ist online, und heißt

Daniel Suarez
Darknet
Deutsche Erstausgabe Mai 2011
by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
477 Seiten

Für dessen Verständnis ist in jedem Falle die Lektüre des "Daemon" erforderlich, da sich sonst einige Szenen nur schwer erklären.

In diesem Band gelingt es dem Autoren noch weitaus besser als im ersten, die Grenzen zwischen Realität und Virtualität aufzuheben. Letztlich habe ich drauf verzichtet, diese Unterscheidung festmachen zu wollen und mich lieber auf die Handlung eingelassen.

Ein rasanter Thriller, derzuweilen wie ein Drehbuch geschrieben ist und danach schreit, zumindest in den Action-Szenen unter Zuhilfenahme Hollywoods und eines Schrottplatzes der Autowiederverwerter vefilmt zu werden.

Das Beste jedoch, das hat er sich für den Shluß aufgehoben. Für das Ende der Geschichte. Die Wiederauferstehung der Nazis in ihrer schlimmsten Inkarnation, der SS. Bereits im ersten Teil hatte ein SS-Mann, ein ganz schlimmer Folterfinger, eine kurze, dafür tragende und prägende Rolle, um dann wieder abzutauchen.

Im zweiten Band taucht er wieder auf, ganz kurz, mit einer knackigen Verhaltenstherapie dem Protagonisten gegnüber, um am Schluß ein furioses Ende auf die Bretter zu knallen, daß man nur mit der Zunge schnalzen kann.

Ich versuche mal ein Analagon, das gar nicht so weit her ist, da ja von etlichen geheimdiensten real praktiziert. Ein hundertfacher SS-Mörder sitzt im Knast, wurde aber nicht zum Tode verurteilt. Er beherbergt eine Menge an Wissen und Foltererfahrung in seinem Gehirn, als auch Folterpraxis in seinen müden Knochen. Nun kommt der Gutmensch von weiß ich woher, weil er etwas wissen möchte, Hilfe braucht, oder Beistand benötigt. Es sei dahin gestellt.

Der deal geht nun so. Ware gegen Ware. Willst du was von mir, krieg ich das von dir. Du kannst dich entscheiden. Mein Preis ist nicht verhandelbar.

Alleine für diese Idee lohnt es sich, die beiden Schwarten in die Hand zu nehmen, solange sie noch nicht verboten sind. Denn wer darf in Deutschland am Ende der Gechichte den Folterexperten der SS genußvoll auf der Straße der Sieger marschieren lassen? So genußvoll, daß man als Leser von diesem Genuß absorbiert, so man in das Buch hineingekrochen ist.