Von Zwischenstand kann eigentlich keine Rede sein. Das Spiel ist aus. Zwei Tage nach dem Terroranschlag in Oslo ist der mediale Schlingerkurs beendet und der Dampfer in jenem Fahrwasser, wo er hingehört.
Das Gebot der Stunde lautet: "Wir fordern..." Eine Begründung ist zwar obsolet, liegt aber auf der Hand. Die Rechtsextremen waren es.
Ausnahmsweise haben diese das Desaster der Situation als erste erkannt und vernehmlich darüber gejammert. Autor PI hat bereits am 23.07. die Situation trefflich beschrieben.
Fall Anders B. eine konservative Katastrophe
Wir dürfen uns vor lauter Auf-andere-mit-dem Finger-Zeigen nicht unserer Eigenverantwortung entziehen. Wir stehen in der Verantwortung für unser Handeln und Denken. Und in dieser schweren Stunde ist es unsere Pflicht, die Schuld nicht zuerst bei anderen zu suchen, sondern den Angehörigen unser Beilied auszusprechen.
Halten wir die Dinge fest, die festzuhalten sind.
Es handelt sich nicht um einen Amoklauf, da eines der charakteristischen Merkmale eines Amoklaufes fehlt. Der Täter hat sich nicht selbst umgebracht oder die Gelegenheit genutzt, dies von Polizisten erledigen zu lassen, sondern sich freiwillig ergeben, weil er noch eine Botschaft zu übermitteln hat.
Insofern bin ich geneigt, dies als Terroranschlag zu charakterisieren, da wesentliche Merkmale von Terror erfüllt sind.
Der Täter handelte nach gegenwärtigem Erkenntnisstand alleine. Das nehme ich so gegeben.
Halten wir nun die Dinge fest, die nicht haltbar sind.
In den Medien begann alles als terroristische Anschlag des Islam. Reflexartig wurden die abgespeicherten Textbausteine aneinandergereiht, um nach einer Phase der Verwirrung schnell auf neue Erklärungsmuster umzuschwenken, die genausowenig erklärten, wie die islamkonformen Textbausteine.
Mit der Situation, daß ein durchgedrehter Einzeltäter dies im Alleingang durchgezogen hat, kamen die Medien nicht klar. Kommen sie immer noch nicht klar. Das ist insofern egal, da im Nachgang Begründungen geliefert wurden, die zwar an den Haaren herbeigezogen, in der Ursuppe der Medien trotzdem ausreichend für Klickrate und Auflage sind.
Der Täter habe ein Manifest hinterlassen, in dem er seine Tat begründet, wurde mitgeteilt. In Windeseile hatte die Experten 1500 Seiten englischer Muttersprache auf eine DIN-A4-Seite gedampft und zusammengefaßt. Sie vergaßen dabei nur, daß der Täter, um den es geht, gar nichts gesagt hatte, denn alles was er sagte war die dürre, von der norwegischen Polizei mitgeteilte Botschaft, dies sei "grausam, aber notwendig gewesen".
Alles andere, entstammt den Edelfedern deutscher Schreibtischtäter, die weder den Täter, noch die Polizei noch irgendwen Involvierten befragt hatten, ist also Produkt ihrer Phantasie und nicht Produkt authentischen Täterwissens. Es sind die Extrakte aus euren kranken Hirnen, die ihr momentan vor uns ausbreitet und die uns deutlich zeigen, wie ihr denkt und funktioniert, nicht der Täter.
Zum Motiv habe er angegeben, er habe sein Land vor dem Islam und dem Marxismus verteidigen wollen, heißt es inzwischen. Mehr nicht.
Nichts wissen macht aber nichts, dazu gibt es ja dieses Manifest, das der Täter verfaßt haben soll. Nun gehört zur Analyse von 1500 Seiten etwas mehr als 24 Stunden Zeit. Es hätte auch dazu gehört, sich das Dokument aus verschiedenen Quellen zu besorgen und technische Vergleiche anzustellen. Dann hätte man feststellen können, daß die im Internet angebotenen Dokumente erst am 23.07. erstellt wurden, mithin, in der vorliegenden Form keinesfalls vom Täter stammen können, es sei denn, ihm wurde zur Vollendung seiner Tat sein PC von zu Hause ins Untersuchungsgefängnis überstellt. Das halte ich für eher unwahrscheinlich.
Stelle ich also meine gestrige Frage noch einmal. Woran arbeiten sich die Medien eigentlich gerade ab? Keinesfalls an Tätermotiven, sondern schlichtweg an einem Kompendium gegenwärtiger ideologischer Strömungen. Es kann sein, der Täter lies sich davon inspirieren, muß aber nicht sein.
Kurzer Zwischenstopp. Mangels informativer Masse wurde gestern stundenlang auf dem Polizisten rumgeritten, der angeblich als Sicherheitskraft für das Zeltlager eingeteilt war und es wurde stundenlang orakelt, wieso er nicht eingegriffen hat usw.
Gestern Abend stellt sich heraus, er war einer der ersten, der ermordet wurde, heute wird er als Stiefbruder von Mette Marit identifiziert und schon kippt die Medienmeute um. Mette Marit ist ein Thema, da kennen sie sich aus, das ist ihnen vertraut, sie hat Tränen in den Augen, nichts wie ran ans Thema. Und nun kriegen wir rührselige Stories auf's Auge gedrückt, die wiederum jeder Recherche entbehren.
Halten wir also fest, was nicht zu halten ist. Die Medien wissen nichts und spulen trotzdem fleißig ihr Programm ab. Das, was wir in den Medien lesen, sofern wir es lesen, ist Phantasieprodukt der jeweiligen Autoren und Redaktionen, definitiv kein Täterwissen, damit dem redaktionellen Kalkül, also politischem Kalkül unterworfen und somit leicht durchschaubar.
Exemplarisch für die geballte Ladung Dummheit, die uns aus allen Medienzeilen entgegenkommt nehme ich heute mal Thomas Steinfeld von der Sueddeutschen. Weil er so herrlich dumm daher schreibt.
Die Botschaft des Attentäters
Mission Massenmord
Er brauchte die Opfer, um seinem Manifest das Gewicht einer Botschaft zu geben, die niemand ignorieren kann. Diesen Ernst zu verstehen - darum geht es jetzt. Denn dies war nicht die Tat eines Verwirrten.
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.
An dieser Konklusio ist so ziemlich alles falsch. Zäumen wir das Pferd von hinten auf, dann wird es klar. Möglicherweise war es ja die Tat eines Verwirrten. Dann ist alles bis dahin Geschriebene schlichtweg Müll, so es übrigens auch Müll ist, wenn er klaren Verstandes gemordet hat.
Ich, das kann ich definitiv sagen, ich ignoriere dieses Manifest. Ich beschäftige mich mit den Gegebenheiten und die sind traurig genug, denn zum wiederholten Male wird ein bedauernswerte Anlaß dahingehend mißbraucht: "Wir fordern..."
Und was fordern sie? Gebetsmühlenartig das, was sie seit wenigstens zehn Jahren fordern. Ich will nicht sagen, das Vierte Reich, doch zumindest den Ermächtigungsstaat, den fordern sie. Ohne Grundgesetz schalten und walten können, wie sie es seit langem tun und immer wieder aufs Brot geschmiert bekommen, ohne diesen Mißstand abzustellen. Sie fordern den Ermächtigungsstaat, um endlich auf gesetzlicher Grundlage schalten und walten zu können, wie sie es wollen, denn auf's Grundgesetz und Gesetze scheißen sie schon lange. Sie haben dem eigenen Volk den Krieg erklärt und wollen dies per Gesetz bestätigt wissen. Das ist alles.
Erstaunlich, daß ich gerade eine vernunftbegabte Aussage von jemandem lese, dem ich es kaum zugetraut hätte.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) warnt vor überhasteten staatlichen Reaktionen. „Ich halte nichts davon, aus der schrecklichen Tat in Norwegen jetzt Schnellschüsse herzuleiten“, sagt Körting. Wie immer kämen nach schrecklichen Ereignissen die Leute mit Patentrezepten.