23. Juli 2011

Loveparade im Drogenrausch - ein Jahr danach

Am 26. Juli vergangenen Jahres schrieb ich:

Warten wir also ab, was Tatortuntersuchungen, Gerichtsmedizin, Zeugenbefragungen, Videoauswertungen, Sichtung der Einsatzbefehle und -protokolle und Analyse der beschlagnahmten Dokumente ergeben. Das dauert.

Es dauert immer noch, einige Dinge sind inzwischen klar. Ich selber habe die Thematik seitdem nie weiter verfolgt, bin insofern nicht aussagekräftig, dafür andere.

Peter-Philipp Schmitt durfte für die FAZ einen Artikel aus dem
"Deutschen Ärzteblatt" abschreiben, der die medizinische Versorgung nach der Katastrophe als ohne Fehl und Tadel darstellt, was ich nicht beurteilen kann. Ich nehme es als so gegeben hin, zumal die Mediziner eh nicht an den Ereignissen Schuld waren, sondern deren Folgen zu behandeln hatten. Nehmen wir an, daß sie es bewältigten, weil Katastrophenpläne und spontanes Handeln für Ereignisse solcher Größenordnung inzwischen gut und ausreichend dimensioniert sind.

Ein Journalist, der ab- und zu umschreibt, der sollte wenigstens ein bißchen Gehirnmasse in das Produkt investieren, das er dann sein eigen nennt. Das geht schon bei der Überschrift los, die sich auf die Mitteilung der Ärzte bezieht.

Ein Drittel unter Rauschgifteinfluss

Der Autor klaubt sich dann die folgende Passage aus dem Ärzteblatt, bei der ich mich frage, was er uns damit mitteilen möchte, die statistischen Daten mal ausgenommen.

Viele der Rettungshelfer und Ärzte nahmen sogar an einer Drogenfortbildung teil, was im Nachhinein „als wichtig und positiv bewertet“ wurde, nicht zuletzt weil jeder dritte Patient an jenem Tag unter Rauschgifteinfluss stand. Gerade das behinderte die Arbeit der Mediziner, auch weil Rauschmittel zum Beispiel andere Symptome überlagern können. Viele der unter Drogen stehenden Verletzten verließen zudem vorzeitig die Krankenhäuser – gegen ärztlichen Rat.

Erstmal ist es grottenschlechtes Deutsch, das zeitliche Ebenen durcheinander wirbelt. Ich formulier das mal unter Weglassung von Zeilenhonorarzeilen um.

Jeder dritte behandelte Patient stand an jenem Tag unter dem Einfluß von Rauschmitteln.

So, erst jetzt kann ich mich dem eigentlichen Thema widmen. Was will uns der Autor sagen, wenn er von Rauschgiften (Überschrift) spricht und im zitierten Absatz binnen einer Zeile von Rauschgiften und Rauschmitteln faselt?

Halten wir fest, daß der Gesetzgeber Betäubungsmittel kennt, dazu ein Gesetz erlassen hat und in dessen Anlagen diese Betäubungsmittel und ihre Vertriebsformen klassifiziert. Das zum einen. Zum anderen gibt es Betäubungsmittel, die nicht von dem Gesetz erfaßt sind. Ein Rauschgiftgesetz gibt es in Deutschland nicht, auch keine Rauschgifte.

Jeder dritte Patient stand unter dem Einfluß von Nikotin, Alkohol, Haschisch, Koks, Exstasy usw. Das ist eine Aussage, die uns nicht weiter hilft, weil sie, bezogen auf die Katastrophe nichts erklärt, eine Nullaussage ist.

Hier wären die gerichtsmedizinischen Protokolle interessant, die Auskunft geben könnten, wie es um jenen kleinen Personenkreis stand, der unmittelbar von der Katastrophe betroffen war. Darüber erfahren wir aber nichts und spekulieren bringt nichts, auch wenn es interessantes Wissen wäre, inwiefern zugedröhnte Raver die tödliche Katastrophe ausgelöst oder erheblich verschärft haben, weil sie keine Kontrolle mehr über ihr Tun hatten.

Davon abgesehen, es gibt solche und solche Rauschmittel mit solcher und solcher Wirkung. Die Dosis macht's.

Ich formuliere die DIN-A-Seite der FAZ insgesamt noch einmal um. Der FAZ-Artikel ginge dann so.

Einem Text im „Deutschen Ärzteblatt“ kann entnommen werden, das die medizinische Notfallversorgung nach der Katastrophe bei der Loveparade 2010 ohne Fehl und Tadel war und höchsten Standards bei Katastropheneinsätzen entsprach.