15. Oktober 2011

Berliner Nahverkehr als Kollateralschaden

Wie ich einmal nach Berlin reinfahren wollte

Ich hatte die Absicht, am ersten arbeitsfreien Tag dieses Wochenendes nach Berlin reinzufahren, da mir vorab lecker Kuchen und Kaffee avisiert waren, nebst einem Schwätzchen, was ja auch mal erlaubt sein muß, auch um das jüngste Gerücht in Erfahrung zu bringen, das ich hier lieber nicht verbreite, weil es mir internetweit Schelte eintragen würde, so blamabel ist es, so richtig ist es aber auch.

Ja, auf all das war ich vorbereitet, nur nicht darauf, daß sich der öffentliche getragene Nahverkehr der Stadt Berlin inzwischen als dermaßen desolat, marode, abgewirtschaft und vernachlässigt ist, daß ich ihn nur noch als katastrophalen Kollateralschaden bezeichnen kann. Das fällt mir ja, der seine Wege üblicherweise mit dem Radel erledigt, gar nicht so auf, denn Busse oder Straßenbahnen sieht man ja immer auf den Straßen. Daß dies allerdings potjomkinsche Busse und Straßenbahen sind, das wäre mir bis heute nie in den Sinn gekommen. So wenig, wie mir in den Sinn gekommen ist, mich vorab über die öffentlich finanzierte Verkehrslage zu informieren.

Wenn ich Richtung Alex will, da wollte ich hin, dann stehen mir im Grunde vier geradlinige Wege zur Verfügung, die sich zeitlich nur marginal unterscheiden. Vor der Hütte in die S-Bahn hüpfen und durchfahren, das wäre die Nummer 1. Dann hätte ich allerdings eine erklecklichen Fußmarsch zum Kaffeehaus absolvieren müssen.

Vor der Hütte in die Straßenbahn hüpfen, das wären Variante zwei und drei, mit etwas weniger Fußmarsch zum Ende hin. Da wiederum gäbe es zwei Linien mit vollkommen unterschiedlicher Streckenführung.

Variante vier hieße, ein stückweit weg vom Ziel bewegen, dann in die Straßenbahn hüpfen, umsteigen. Aber auch so käme ich in fast gleicher Zeit und pünktlich zur Tränke.

Ich hatte mich für Variante zwei oder drei entschieden, weil ich noch vorher im Telefonladen das Restguthaben einer Prepaid-Karte einfordern mußte, weil mir die servicefreundliche und stringent am Kunden orientierte Gesellschaft Vodafone meine Handykarte gesperrt hatte, die ich ein dreiviertel Jahr, nach deren Auskunft jedenfalls, nicht benutzt habe. Kommt hin, sag ich mal, weil es war ja nicht meine Karte, sondern die, die ich damals als Notfallhandy in den letzten Monaten meines Vaters neu gekauft habe.

Wenigstens dieses Erlebnis war ausgesprochen positiv. Der Mitarbeiter im Wir-haben-ganz-viele-schicke-Telefone-Laden und noch viel schickere Tarife, der drückte mir einen Zettel in die Hand, ich möge mein finanzielles Begehr dort nebst Kontonummer notieren, er faxe es schnell rüber und dann geht alles seinen kapitalistischen Gang. Nach nicht mal 5 Minuten war ich ohne neues Telefon wieder raus aus dem Laden.

Ich schwinge mich in die Straßenbahn, stöpsel die In-Ears rein und zuckel im vollbesetzten Zug gen Innenstadt. An einer bestimmten Stelle wurde ich stutzig, denn die Straßenbahn bog ab und fast alle stiegen aus. Die Ansage habe ich wegen iOS5-Krawall nicht mitbekommen. Nun gut, fährste mit der Linie weiter, dachte ich mir, dann springste zwei Stationen später raus, steigst um und kommst mit der anderen Linie geradewegs in die Stadt. Doch denkste. Auch dort ein großes rotes Schild, diese Linie wird zur Zeit nicht bedient.

Mußte ich zurück, eine Straßenbahnlinie wählen, die Richtung U-Bahn oder S-Bahn führt, also erst mal quer zu meinem eigentlichen Ziel nahe beim Alex. An der U-Bahn rausgehüpft, runter, war'se weg. Aber es gab 5-Minuten-Taktung. Das war also kein Problem.

Steig ich am Zielort aus, in der Karl-Marx-Alle, da sieht die aus, als wenn gerade die letzten Bombentrümmer abgeräumt werden. Das Projekt Erneuerung der U-Bahnlinie stellt sich als Groschengrab und Jahrhundertprojekt dar, denn sie sind in ihren Mühen noch nicht allzuweit fortgeschritten, die Strecke bautechnisch komplett zu erneuern, was bedeuten soll, daß sie wassertechnisch abgedichtet werden muß, da es reinregnete, und daß im gleichen Zuge die Straßendecke der Karl-Marx-Allee erneuert wird.

Für den Rückweg am Abend habe ich mich dann für U- und S-Bahn entschieden, das flutschte komischerweise wie ein Lavazza die Kehle runter. Mit der Ansage, daß die Ringbahn nicht bedient wird, weil auch da irgendwas gebaut wird.

Zusammenfassung. Zwei Tangenatiallinien, die in die Stadt reinführen brechen 5 km vor dem Ziel ab und kehren um. Die Alternative Ring-Bahn, das wäre 1km Fußmarsch gewesen, fiel aus, weil sie ebenfalls nicht bedient wird und SEV mit Bus angeboten wurde, was keine echte Alternative zu einer funktionierenden S-Bahn ist.

Was soll ich groß sagen? Totalschaden. Der Berliner Nahverkehr.