27. Oktober 2016

Mikadofilme aus Amerika

Wer sich bewegt ist tot.

Nein. Sie sind längst tot. Sie wissen es nur noch nicht. Und sie haben kei­ne Chance, des Todes gegenwärtig zu werden, dazu ereilt er sie viel zu schnell. Sie haben nur scheinbar die Chance der Gegenwehr. Damit der Film ein paar Minuten Zeit schinden kann.

Don't Breathe

Man kann sich nicht selber totatmen oder totnichtatmen, denn irgend­wann setzt der Reflex ein, mit dem der nächste Sauerstoffschub angesaugt wird, um doch zu überleben. Man meint, das Atmen sei Donnergetöse, weil der Luftstrom in der Lautstärke eines Sturzbaches durch die Nasen­löcher strömt und die Hörschnecke in Erdbebenstärke erzittern läßt. Dabei ist 5 cm weiter kein Geräusch mehr zu hören, kein Atemgeräusch, nicht der Schlag des Herzens gegen die knochenharten Rippen.

Und doch lauert der Tod hinter der nächsten Tür, über einem, im Keller, an der Tür.

In dem Augenblick, wo sie das Haus geentert hatten, hatten sie die Ent­scheidung auch schon bereut. Doch da war es bereits zu spät. Sie waren dem Tode geweiht, denn sie hatten sich am Haus und damit Geheimnis eines blinden Kriegsveteranen vergriffen.

Drei Jugendliche, zwei Buam und a Maderl, brechen in Häuser ein, für die der Vater eines der Buben die Sicherheitsschlüssel verwahrt. Immer unter 10.000 Dollar klauen, zwecks Vermeidung der Haftstrafe und nur das, was schnell wegtransportiert werden kann. Das ist ihre Devise. Mit der Hütte des Blinden haben sie voll in die Scheiße gegriffen. Die noch kurzen Leben werden im Laufe des Films gnadenlos abgekürzt. Das ist kein Geheimnis. Wie, das muß man selber sehen.

Wenn einige Lichtspielhäuser noch "Don't Breathe" auf die Leinwand wer­fen, dann nichts wie hin. Gut, Werbung und die erste Viertelstunde kann man sich sparen. Der Film hat nur Stoff für ca. 65 bis 70 Minuten, dauert aber 85. Dieser Stoff wurde rasant und mit allerlei Volten verfilmt, weswegen hier auch nicht gespoilert wird. Es ist ein nettes kleines Horrorspektakel, mit dem man ausgezeichnet unterhalten wird, wenn man sich nicht in den Film reinhängt sondern als UNO-Beobachter hingeht, sich in den Ses­sel fläzt und sagt: Nun macht mal. Sie haben es gut gemacht.

The Accountant

Die vorab konsumierten Kritiken waren schlecht bis geht gerade so. Ich habe einen anderen Film als die Kritiker gesehen. Das Kino war gut gefüllt, ca. hundert Leute. Der Film ging los und mäanderte sich mit gepflegter Langeweile dem Ende entgegegen, das aber noch 2 Stunden 5 Minuten entfernt war.

Die Langweile nahm keine Ende. Der Regisseur hatte keine Veranlassung gesehen, Tempo in die Handlung zu bringen. Es bestand auch keine, da es um Zahlen ging, Buchhaltung, Finanzen. Zahlen haben keine Tempi.

Ich merkte es nicht bzw. zu spät, erst nach dem Abspann, auf dem Nachhauseweg. Irgendwann hatte der Regisseur gewonnen und mir seinen Stil aufgezwungen. Gegenwehr zwecklos. Ben Affleck zieht die Nummer in stoischer Ruhe durch, wie er die Bücher der Firma in stoischer Ruhe durchsieht.

Nur mit dem Tod hat er es eilig, weswegen die Actionszenen auch ansatzlos kommen und ruckzuck wieder vorbei sind. Buchhaltung ist wichtiger. Der Tod kommt ansatzlos, unangekündigt. Zwei Schüsse in den Brustkorb, der letzte immer in die Stirn. Als Tag, Markenzeichen des Todeskünstlers wie der Schriftzug des Sprayers an der Wand. Der finale Kopfschuß ist nicht nötig, denn die Leichen waren längst tot. Der trockene Schuß in die Stirn ist nur der Bilanzwert, der unterm Strich wichtig ist. Er hat eine Aufgabe zu Ende gebracht.

Es gäbe Kritik an dem Film. Er hat ein paar Längen. 15 Minuten könnten in den Mülleimer. Die Rückblendenkacke verwirrt, reißt sie einen doch immer mal weider aus der großen Langeweile, die der Film versprüht. Das hätte man binnen 5 Minuten am Anfang erklären können. Dann wäre der lineare Ablauf einiger Lebensabschnitte erhalten geblieben. Im Grunde sind das unauffällige Kinkerlitzchen, nicht der Rede wert.

Sehr auffällig ist, daß der Cast mit Anna Kendrick als Protagonistin abseits des Hollywoodschen Schönheitsideals besetzt war, eine Frau, die man erst beim dritten oder vierten Date als Volltreffer akzeptieren würde, weil sich erst so spät herausstellt, daß sie der Volltreffer ist. Ihre Rolle spielt sie souverän. Die zweite Dame hingegen, Cynthia Addai-Robinson, die jedem Titel der Kiosk-Magazine zur Ehre gereichen täte, die stinkt da meines Erachtens etwas ab, auch wenn sie bildhübsch ist. Das reicht aber nicht.

Zwei Stunden absolute Ruhe im Kino, kein Popcorn-Krachen, kein Geklirre von Bierflaschen, Rascheln von Bonbonpapier, kein Geschnatter aufgeregter Weiber oder brunftiges Gegrunze testerongestählter Männer. Totenstille über den gesamten Film hinweg.

Dann lief der Abspann und alle blieben sitzen, obwohl nur der gewerkschaftliche Teil der Filmproduktion an die Leinwand geworfen wurde. Wer betrieb die Wurstbude und warum wurden die Schauspieler eingekleidet und so.

James Berardinelli hat die treffendste Beschreibung gefunden, die alle anderen in den Schatten stellt, denn er hat den Film gesehen, den ich auch gesehen habe.

The Accountant is like that - a movie that could easily have been familiar, disposable entertainment but is made with sufficient competence and energy to capture the viewer’s attention and linger a little after the end credits have rolled.

The Accountant ist ein Film, der gut hätte Familienunterhaltung sein können, 0815-Unterhaltung. Er ist jedoch mit solider Kompetenz und Energie gemacht, der die Zuschauer so in seinen Bann zieht, so daß sie sogar bis nach dem gewerkschaftlichen Abspann in den Sesseln rumlümmeln.

Nur warum der originale Filmtitel beibehalten wurde, das erschließt sich nicht. Weil im Deutschen account fast ausschließlich im Zusammenhang mit Kundenbetreuung steht? Nun ja, Christian Wolff betreute seine Kunden. Zu Tode.