30. August 2018

Die Toten Hosen Waldbühne: Ficken, Bumsen, Blasen



Freie Platzwahl konnte ich vergessen. Gab es nicht. Ich mußte nehmen, was noch zusammengerückt wurde.

Er wollte das Konzert nicht für politische Statements mißbrauchen, meinte Campino zwischendrin. Dann lud er alle für den Montag zu 17 Uhr an den Nüschel in Karl-Marx-Stadt ein, weil, dort mehrere Bands eine Mucke für lau geben. Da wette ich mal, daß die Schnittmenge zwischen jenen, die jetzt schon am Nüschel spazieren gehen und jenen, die erst am Montag hinzustoßen, durchaus groß ist.

Soweit die Pflichtmitteilung. Nun der gemütliche Teil. Mir deucht, ich hatte es im Juni nicht so klar ausgedrückt. Sie können es noch, die Hosen, eine richtig geile Mucke spielen, ohne die Musikdarbietungen durch nervtötendes Gequatsche kaputtzumachen. Da geht es beileibe nicht um Politik, eher um Campino, denn der war früher bekannt dafür, während der Konzerte über Gott und die Welt reden zu müssen. Und dann fiel mir eines Tages ein, daß es ja Rückläufer geben müßte, die wieder in den Verkauf gehen, da das Konzert am 8. Juni wegen Krankheit ausfallen mußte. So kam es, daß ich Die Toten Hosen zum zweiten Mal auf der Waldbühne in diesem Jahr genießen durfte, weil ich ob dieses Gedankens flugs zum Ticketverkäufer getrabt bin. Das war gut angelegtes Geld.

In diesem Jahr war alles anders. Die Band will sich über ihre Musik artikulieren und nicht über ihre Meinung zu den politischen Weltenläuften. Und das haben sie in beiden Konzerten auf der Waldbühne mit Bravour durchgezogen. Weniger Politik läßt mehr Raum für Klang. Ich drücke für das bißchen Gehabe Campinos mal beide Augen zu.

Zu "Nazis raus" ist alles gesagt, was zu sagen ist.

Was für ein fucking mind blowing shitload of Deutsche Volksmusik zum Mitsingen. Englische auch. Die war sogar noch volksliediger.

Da hatte der Sommer nochmal das Beste aus sich rausgeholt und edles Prachtwetter der Kategorie Superplus mit Stern und Schleifchen für den Besuch der Waldbühne im Angebot. Vielleicht war es auch nur eine Laune der Natur. Es hat leider nicht viel genutzt, da das Halbrund bei Eintreffen bereits rammelvoll gefüllt war. Die Vorband Royal Republic war bereits am Geldverdienen. Im Vergleich zu den Donuts im Juni würde ich sie jetzt als schwedischen Schlagernachwuchs einstufen, aber das ist eh Ansichtssache. Der letzte Titel war ganz nett.




Insofern wurde die Chance genutzt, sich zum Billigtarif für 15 Euro mit dem BzbE-T-Shirt einzudecken, das natürlich nur mit dem BzbE-Wäschezeichen und den originalen Fortuna-Konfettis echt ist. Ich denke, so ein Hemd lohnt sich, da ich als Pessimist eh der Meinung bin, daß man sein Leben bis zum bitteren Ende durchziehen muß.

Dann kam die Routine. Um 20 Uhr und 40 Minuten geht der heiße Scheiß in die Entscheidung. Die Ramones leiern den Blitzkrieg-Bop aus den Schalltürmen, der Original-Sound aus dem Stadion an der Anfield-Road folgt, ein krachiges Intro mit viel qietschbunten Bildern auf den Videoleinwänden leitet die Show ein. Die Nationalfahnen der Band werden hochgeleiert. Vom drischt zwei Mal kraftvoll auf das Bärenfell ein, und schon steht das Publikum kurz davor, durchzudrehen. Dabei ist der erste Song noch gar nicht vorbei.

Die Waldbühne ist ein Moloch, eine Arena, in der man sich nicht verstecken kann, weil sie ob ihrer Architektur alles aufsaugt, was sich innerhalb der Einzäunung befindet. Sie ist ein Moloch für eine Band, die das nicht kennt. Denn kommst du auf die Bühne, stehst du vor einer 30 Meter hohen Menschenmauer, die sich aus 25.000 Einzelteilen zusammensetzt und dir deine eigen Lieder zurückschmettert. Das mußt du als Band abkönnen. Und geil finden. Die Toten Hosen finden das geil und liefern, was niemand bestellt hat, eine Leistung die sich immer an der 100%-Marke entlang hangelte.

Die mit Abstand, also großer Lücke zum Rest, beste Nummer des Abends war Mehr davon, denn da walzte sich eine Mauer aus Klang auf dich zu, daß es nur so krachte. Oktophoner 3-D-Sound sphärischer Natur, dem man nicht entfleuchen konnte. Das erinnerte mich an das erste Mal, als ich den Song live hörte, irgendwann in den 90ern, in der Deutschland­halle. War auch damals die beste Nummer des Abends, aber in der Deutschlandhalle konnte und wollte ich mich damals verstecken, mir den Schädel durchblasen lassen, um zu vergessen, sich nicht mehr umzudrehen und nur noch nach vorne zu gehen.
Zum Abschluss gab’s noch ein paar Stargäste beim „Schrei nach Liebe“. Auf der Bühne standen die Toten Hosen gemeinsam mit Rod von „Die Ärzte“ und Arnim von den Beatsteaks.
Nein, ihr Knickhirne von der B.Z., da war noch lange nicht Schluß. Es war ein Highlight, ohne Zweifel, als Campino Mister Rod Gonzales als einen der Erfinder des wichtigen Welthits und Arnim von den Beatsteaks ankündigte. Ich glaub so heißt der auch wirklich, also im Ausweis. Gemeinsam zelebrierten dann alle Anwesenden das Lied, wo ein Arschloch drin vorkommt und schrien mit Inbrunst nach Liebe. Das Teil ist oben verlinkt. Danach nahm der Abend erst so richtig Fahrt auf.

Im Juni war alles anders. Da hatten sich Die Ärzte die Beatsteaks als Langspielzeitsupport auf die Bühne geholt, denn nach so langer Pause reichte es gerade mal für zwei Hits.



Die Hosen hatten ganz viel Spiellaune mitgebracht, dafür wenig Zeit, weswegen entscheiden wurde, die Pausen zwischen den Zugaben ganz wegfallen zu lassen und bis zum bitteren Ende durchzuziehen.

Irgendwas war im Busch, denn Campino hüpfte von Kollege zu Kollege und flüsterte ihm was ins Ohr. Jetzt kommt das in Deutschland am meisten gespielte Hochzeitslied, das auf Beerdigungen meistgespielte, das, das alle Politiker klauen, wenn sie ihre Wahlkampfsiege feiern. Und dann kam das, was die Lücke zwischen Mehr davon und dem Rest füllte.
Ficken, Bumsen, Blasen,
alles auf dem Rasen.
Ficken, Bumsen, Blasen,
auf dem schönen Rasen.
Daß ich den Hofgarten nochmal live erleben durfte, hätte ich mir nie im Leben träumen lassen.

Das Konfetti-Lied gab es selbstverständlich hintendrein.

Überzogen haben sie auch um 5 Minuten, da You'll Never Walk Alone als Pflichtnummer die 23 Uhr-Marke überschritt. Erst dann kam Wölli zu seinen Ehren und mußte als Rausschmeißer den Heimweg des Publikums einläuten.