12. Oktober 2018
Seebrücke Misdroy
Eigentlich habe ich ja alles richtig gemacht, als ich die 17 Ladegeräte nochmal kontrollierte, die man heutzutage einpacken muß, wenn man außerhalb fährt. Ich kannte leider nicht die Pfiffigkeit der polnischen Mikroelektroniker, denn die haben die Steckdosen so erfunden, daß ein riesen Bolzen als Schutzkontakt aus der Steckdose herausragt und somit das Einstöpseln der Ladequader verhindert. Hier gibt es überall nur codierte Steckdosen. War in Swinemünde anders.
Aber, das muß an dieser Stelle zur Ehrenrettung der polnischen Europäer gesagt werden. In der Bleibe gibt es eine Boutique, die zu 99% Kleider, Blusen und Schals für Frauen dealt, zu 0,99 anderen Krempel und den Rest zu meinem tiefen Gottvertrauen, das Polen noch nicht verloren ist. Ich zeigte der hübschen Frau das ingenieurstechnisch verhunzte Ladeteil. Sie wußte auf Anhieb, worin ich in meiner Männlichkeit zutiefst gekränkt war, griff hinter sich, strahlte, weil das Teil einen Flachstecker hatten verhökerte es mir für 10 Zloty mit polnischen L.
So bin ich nun doch wieder in der Lage, die Internetglotze mit Strom zu betreiben, denn mit Wind sieht es hier momentan mau aus, so daß Windenergie ausfällt.
Oben kann man die Seebrücke in Misdroy erkennen. Dreht man sich um, sieht man den Versuch eines Sonnenuntergangs, der zumindest dahingehend für Klarheit sorgte, wann man pünktlich am Strand sein muß, um einem Spektakel beizuwohnen als wenn man Canaletto über die Schulter schauen dürfte.
Ja, die Polen können auch Sonnenuntergang daß einem schwindlig wird. Die Sonne war zwar nicht zu sehen, dafür die Ergebnisse ihres unermüdlichen Wirkens zum Wohle der Menschen, die das Himmelsgemälde durch anerkennendes Klicken der Fotosimulation auf dem Telefon würdigten und den recht dunklen Himmel mit ihren Xenonlampen aufhellten.
Dazu später mehr, wenn die RAW-Dateien die Fälschungserkstatt wieder verlassen haben.
Ansonsten ist momentan alles anders, als ich es mir nicht vorgestellt habe. Die Freizeit ist karg bemessen, was an der Unfähigkeit für ein solides Zeitmanagement liegt. Das liegt darin, daß es in der Bleibe Salzgrotte, Whirlpool und Sauna gibt, alles für lau. Salgrotte ist super, klaut einem aber eine Stunde. Whirlpool auch, ein bißchen mehr sogar, weil man danach im chaotischen Takt der Blubberblasen durch die Gegend wankt. Sauna kann man auch mit einer Stunde veranschlagen. Dann kämen noch Wärmelampe (Rotlicht), Fango, Massage und solche Kleinigkeiten hinzu. Noch eine Stunde weg.
Am Strand ist am schönsten, unbestritten, aber wenn man schon mal derlei Wohlfühlangebot im Haus hat, geht das deutlich vor. Der Gang an die frische Luft unterbleibt eher, zumal hier etliche Leute noch einheizen, was die eigentlich saubere Ostseeluft mit ekligem Rauchgasgestank schwängert und somit vom Spaziergang abgeschreckt. Ein kaputtes Iliosakral tut das Übrige. Vielleicht sind auch beide zerwichst. Keine Ahnung. Nach 2 km reicht mir es schon.
Leute, bei derlei Überangebot an Faulenzgelegenheit, verschwindet jeder Drang, die Weltrevolution anzuzetteln, Merkel zu canceln oder wenigstens die Traktate dafür auszufertigen. Hinzu kommt die vorzügliche Küche im Haus, die das erstens um den Faktor 50 besser kann als ich und dann auch noch so, daß ich keinen Handschlag rühren muß, außer Essen fassen.
Das ist eine Welt, wie sie mir gefällt.