27. Oktober 2020

Klavierspieler und Pianist



Klavierspielen müßte man können.

Mother - John Lennon/Plastic Ono Band, nicht auf Gimme Some Truth ultimate Mix enthalten

In den Niederungen des Internet tobte in der Blase deutscher Bestmen­schen und lebensvorbildlicher Charaktere ein Orkan. Angeblich hatte sich Helmut Mauró der Todsünde versündigt, einen klavierspielenden deut­schen Juden mit eine russischen Pianisten zu vergleichen, um die Qualitäten des zweiteren herauszustellen. Mehr Tabubruch geht in der Süddeutschen heutzutage nicht. Ein Russe haut besser in die Tasten als ein deutscher Jude. Das hat Mauró an keiner Stelle geschrieben, auch nicht unterschwellig. Die Generation Vollverblödet dichtet es ihm aber an. Der Kracher war aber der hier.
Spätestens seit Paris Hilton weiß jeder: Öffne alle Türen, dann kannst du es schaffen. Igor Levit ...
Ich beneide den Kritiker um diese Wortfolge, denn ich habe dazumal die von Paris Hilton geöffneten Türen gesehen. Igor Levit ...

Nun, ich habe die Kritik des süddeutschen Kritikers mit sehr viel persönli­chem Gewinn gelesen, heimlich bei mir gedacht, daß ich auch mal solch erlesene Qualität abliefern können wollte, so ich groß bin. Fehler habe ich keine gefunden, auch keine 0.1 Fehler oder so. Vom Inhalt her habe ich nichts verstanden, was daran liegt, daß mit Beethovens Klaviersonaten völlig am Arsch vorbeigehen, also an den Ohren. Interessiert mich nicht. Insofern ist es es mir auch völlig wurscht, ob Levit die hinklimpert oder Trichonov voller entzücken zelebriert. Es ist der uralte Streit Beatles oder Stones, der nicht totzukriegen ist und immer wieder aufflammt. Und daß Maul aufreißen zum Handwerk gehört, um sein Produkt zu verkaufen, das weiß auch jeder. Hervorrander Klavierspieler sein und in einem zugigen U-Bahn-Eingang spielen, ist nicht jedermanns Ding.

Michael Klonovsky steht auf sowas und hat sich umfassend zum Sachstand geäußert.
Wobei – so viel Differenz muss gerade hier, im deutschen Epizentrum der Differenzierung, sein – Paris Hilton wahrscheinlich ein vergnüglicherer Tischgast ist als unser allen rechten Polowetzern permanent die Leviten twitternder Igor.
Erst recht ein vergnüglicherer Bettgast. Siehe oben.

Daß sich die Chefredaktion des Süddeutschen Beobachters von der fidel daherkommenden Sachkritik distanziert, ist ein deutscliches Zeichen der charakterlichen Verwahrlosung und endgeilen Verblödung selbiger.

Levit hat mehrfach auf dem Twitter kundgegeben, er sei derzeit müde. Da weiß ich lecker Rat. Er möge zu einem für diese Fälle ausgebildeten Arzt gehen. Manchmal fällt denen einen Lösung ein.

Ich selber stehe auf Beethoven und hatte seinerzeit sein schlimmstes Verbrechen in der Geschichte sinfonischer Musik angeprangert, das darin besteht, Schillers Ode an die Freude an das Ende der 9.Sinfonie zu pappen. Der Chor selber ist nicht das Übel. Die vier Jammerlappen vorneweg sind es, die in zittrigem Diskant unmanierlich ihren Welt­schmerz oder was auch immer aus einem DIN-A4-Buch ablesen, weil sie sich nichts merken können. Das ist dermaßen weltentrück, plump vorgetragen und nicht hörenswert, daß es in gehobener Kunst nichts verloren hat.

Nun bin ich zwar nicht so gut in der Beschreibung von Kunstwerken wie Mauró, doch einiges könnte ich schon zu Karajan, Masur, Celibidache, Furtwängler, Barenboim oder dem Rundfunksinfonie-Orchester Bratislava schreiben, denn diese Editionen aller 9 Sinfonien habe ich. Karajan ist übertriebener Pedant und Wichtigtuer, im Vergleich zu all den anderen genannten nicht hörenswert. Mit Masur seiner 9. und seinen Leipzigern bin ich aufgewachsen. Das ist der Klang meiner Sozialisation. Den kriegt man nicht raus und der ist irgendwie immer der Maßstab. Masur war deutlich besser als Karajan. Furtwängler habe ich gerette Schätzer seines hitlerschen Schaffens gehört. Er war der rechte Maßstab seiner Zeit, unübertroffen. Auch das muß man anerkennen. Celibidache ist auch sowas wie Karajan, ein Pedant und filigraner Notenblattfetischist, aber um Klassen besser als der hochgejazzte Berliner. Barenboim hat guten Gebrauchsbeethoven dirigiert. Am besten in meinen Ohren klangen die Fiedler aus dem fernen Bratislava, die sich keinen großen Kopf gemacht haben und Beethoven stur nach Blatt einspielten. Sehr schön, denn sie haben gar nicht erst versucht, irgendeinen tieferen Sinn in die Noten hineinzudichten, denn Noten haben keinen Sinn. Sie machen auch keinen.

Wer keine Beethoven-Sinfonien hat, ist mit Karajan gut bedient, denn das ist meilenweit besser als gar kein Beethoven.

Halte ich am Schluß noch einmal fest. Es ging in dem Streit um nichts weiter als die steinalte Frage Beatles oder Stones, Klavierspieler Levit oder Pianist Trifonov, Renft oder Puhdys, Die Toten Hosen oder Die Ärzte.

Es ist die Frage, warum Mother nicht im neuen 5.1/96-24 Edelmix einiger Lieder John Lennons enthalten ist, so wie Woman is the nigger of the world, ein sehr zeitgeistiges Lied, das in Deutschland und den USA wegen dem Niggerwort nicht gespielt werden darf. Just Because ist nicht drauf, I Don’t Wanna Be a Soldier, Mama nicht, wie auch Nobody Loves You fehlt. Der Surround-Mix ist sehr gut, aber die Setlist hatte nicht ich zu verantworten. Das haben andere gemacht. Damit muß ich leben. Daß ich keine Sonaten, klaviergespielt von Igot Levit mag, damit muß der jetzt leben.

Klimpern sie weiter auf den Tasten rum, Herr Levit, es ist nichts passiert.

Warum spricht niemand über Gitarristen?