30. November 2020

der Anruf der Gesangslehrerin

Miley Cyrus - Sweet Jane (MTV Unplugged Presents Miley Cyrus Backyard Sessions)
--
Thilo Schneider

Fliesenleger im Home-Office

Wir haben Halbzeit in unserem Häuschen auf dem Lande. Ein Stockwerk bewohnen wir bereits, die Heizung funktioniert, wir können – sehr weit entfernt von dem Begriff „Kochen“ – uns Essen machen und müssen auch nicht mehr unserem anatolischen Savoir-Vivre folgen und hinters Haus, um das Essen wieder loszuwerden. Wenn es regnet, wird geduscht. Die Grundbedürfnisse sind also gestillt.

Und die Fliesen fürs Bad sind da. Nach zwölf Wochen. „Wegen Corona“, wie wir alle derzeit reihum gebullshitted werden, selbst wenn die Pizza­bestellung zum Mittagessen erst als letztes Abendmahl eintrudelt. Deswegen fand ich es sinnvoll, den Fliesenleger anzurufen, ich würde Weihnachten gerne baden. Vielleicht sogar mit einer Person unseres gemeinsamen Haushalts.

„Sie wissen aber schon, dass wir Corona haben“, sagte mein Fliesenleger am Telefon, „ich kann derzeit nur Homeoffice machen!“ Ich war verblüfft: „Und wie soll das gehen? Ich nenne eine x-beliebig große Fläche, auf der Sie dann zu Hause meine Fliesen verlegen und Sie schicken mir dann die Verlegerechnung?“ Mein Fliesenleger lachte. „Nein“, erklärte er, „wir haben das Jahr 2020. Es gibt heutzutage ja auch Telemedizin. Und ich habe mich auf Telefliesenlegen verlegt. Sie stellen ein Notebook mit Kamera in Ihr Badezimmer, und ich sage Ihnen, was Sie machen müssen. Abgerechnet wird pro Stunde, je nachdem, wie gut Sie sich anstellen! Ist ein Pilotprojekt.“ Ich fand das ziemlich fair, und da ich ja mit der Zeit gehen soll, stimmte ich leichtsinnigerweise dem Vorschlag zu.

Sie rief an, völlig unerwartet, und bot mir an, ich könne bei ihr via Inter­net zuschauen, wenn sie die Anweisungen erteilt. Sie mache die Kurse jetzt über die Leitung.

Gesangsunterricht aus dem Home-Office. Geht das?

Audra Miller führt durch so eine Kurzlektion, die man rein theoretisch nachmachen könnte. Ich nicht, dazu müßte die junge Frau ihre Stimme tiefer legen. Die Gesangslehrerin kann das.

Chorgesang sei ein Problem, sagte sie. Das könne sie wegen der Vorgaben auch nicht lösen. Aber zuschauen dürfe ich, einfach so. Für ohne Geld. Ich fand das ziemlich fair, und da ich ja mit der Zeit gehen soll, lehnte ich den Vorschlag ab.

Einen Tag später rief sie wieder an. Sie war hocherfreut. Ich hatte für mich festgelegt, daß diese Internethampelei nichts für mich ist. Außerdem, daß sie mich sehen, zutexten und anfassen will. Also hatte ich einen Tag nach dem ersten Anruf auf den AB gesprochen, daß ich selber vorbeikomme. Sie möge mir mitteilen, wann es ihr recht wäre. Und da Teneriffa diesen Monat ausfällt, ihr wißt schon, wegen der von Merkel angeführten natio­nalen Covidioten, die triste Jahreszeit jetzt in voller Länge so richtig lang­weilig wird, ist das ein bißchen Abwechslung und Ausbrechen aus dem Winterschlaf, da selbst Sportstudios verboten ist, ihren Beitrag zur Stär­kung des Immunsystems zu leisten. Dann muß es eine Gesangslehrerin eben richten. Persönlich.

Bis es soweit ist, muß ich mir noch irgendwas mit Friedenspfeife oder weißem Laken ausdenken.

Ronnie O'Sullivan muß auch irgendwas tun, damit er seinen Frieden mit sich findet. Die Ursenbacher-Faust gab ihm den Rest. The Rocket ist raus. Der Schweizer weiter beim zweitwichtigsten Snooker-Turnier der Saison.