21. August 2022

Die Toten Hosen: Für eine Handvoll Gassenhauer

Oder zwei, oder drei. Ich jedenfalls war auf einem anderen Konzert als Boris Kruse, der direkt von der Schallfront für die MOZ berichtete.

Die Düsseldorfer Punkrock-Veteranen Die Toten Hosen lassen kaum einen Erfolgstitel aus beim Berliner Konzert im Rahmen ihrer Tournee „Alles aus Liebe“ zum 40. Bandgeburtstag.

Es sind keine Punkveteranen, da sie, wenn, dann nur kurz den Punk lebten, noch seltener spielten. Sie spielen Volksrock oder Volkspop, gefälligen Schrammelbeat, früher auch gerne mal volltrunken, wo man wie Campino in der Wuhlheide, unzufriedene Zuhörer auch mal am Schlafittchen packt und auf die Bühne zerren will. Vorbei und vergessen.

Die Toten Hosen haben gestern sogar jede Menge Erfolgstitel ausgelassen, jedenfalls deutlich mehr als sie gespielt haben.

Was sie gemacht haben, sie haben nichts anbrennen lassen und das Konzert in genau 2 Stunden und 15 Minuten routiniert runtergespielt, ohne wesentliche Pausen.

Der Klang kommt zwar etwas harsch und übersteuert aus den Boxentürmen, aber es war noch nie leicht, bei Konzerten auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof einen guten Sound hinzubekommen. Die Akustik ist dort traditionell sehr hallig und unpräzise.

Dem muß ich entschieden widersprechen, denn es war nicht an dem. Ich bin via S-Bahnhof Tempelhof angereist und habe noch die letzten Akkorde des brüllenden Adipösen einer Gastband aus der Küstengegend anhören müssen und darob meinen privaten Soundcheck gemacht, um jenen Ort zu finden, der den besten Klang bietet. Richtig, es ist nicht leicht, das Freifeld auf dem ehemaligen Flugplatz Tempelhof zu beschallen. Das, was sie aufgebaut haben, war in Ordnung. Ich bewegte mich immer an der hinteren Begrenzung des Konzertgeländes, stellte fest, daß der Wind aus nördlicher Richtung kam, dort also auch mein Ziel sein mußte, um erstens den Duftwolken von Zigarren, Hasch, Pyro und Verdampfern zu entgehen, als auch vom Wind zerrissenen Schall. Grundsätzlich war der Klang ganz hinten fast immer gut, wobei Baß und Schlagzeugpräzision in mancher Konstellation der Schallwandkaskade etwas dünn waren. Zehn Meter weiter war aber alles völlig in Ordnung.

Ein abgemähtes Feld hat keine Akustik, auch keine traditionelle.

... sodass dieser Abend kaum schwache Momente hat.

Genaugenommen hatte der Abend gar keine schwachen Momente.

... in diesen insgesamt zwei Stunden und 45 Minuten langen Parforceritt ...

Der Gig begann um 20:45 Uhr und endete Glockenschlag Schöneberger Rathaus um 23 Uhr.

Die Band arbeite daran, den Ressourcenverbrauch auf ihren Konzerten so gering wie möglich zu halten, sagt Campino und rattert routiniert einige Fakten rund um die Veranstaltungslogistik runter.

Kacka und Pisse werden auf den Feldern wiederverwertet, weil sie ohne Chemie in den Behältern eingelagert werden. Das hat er gesagt. Und weil viel Veggie statt Fleisch im Angebot war, wurde nur 50% Wasser wie sonst üblich verbraucht. Hat er gesagt. Stimmen muß das nicht.

Das passt in die Zeit, und ohne solche Botschaften sind große Konzerte wohl bald ohnehin nicht mehr zu haben.

Nein, es paßt überhaupt nicht in die Zeit. Früher war mehr blödes Gequatsche von Campino, sehr viel mehr. Ein kurzes Statement zur Vorband aus der Ukraine, nicht zum Krieg als solchen, da konnte man ja weghören, und eine kurze Erklärung zum Testlabor Tempelhof. Das war es im Grunde schon. Der Rest des Abends war eben Schlager der Woche am laufenden Band, schnell, laut und rockig.

Und dass der alte Song „You`ll Never Walk Alone“ aus dem Jahr 1945, die berühmte Stadionhymne des FC Liverpool, erst kürzlich durch Bundeskanzler Olaf Scholz im Zusammenhang mit der Energiekrise eine zusätzliche Konnotation erfahren hat, scheint im Publikum zumindest niemanden zu stören.

Das ist Journokacka, das leider keine Verwendung auf den Feldern findet, da mit Druckerschwärze eingedunkelt. Politik war gestern die Domäne der Tagesschau, nicht die der Band. Der Satz ist aus dem Arsch gezogen, hat mit dem Auftritt der Toten Hosen nichts zu tun.

Was der Nichtsmerker der MOZ zu vergaß? Es hat nicht geregnet. Und es waren laut Campino 60.000 Besucher auf dem Konzertareal des Tempelhofer Feldes. Einige Male waren die blauen Lichter von Polizei oder SMH zu sehen, die Alkoholleichen unübersehbar. Sturzbetrunkene Männer, das kennt man. Frauen, die stocknüchtern ihre sturzbetrunkenen Männer argumentativ überzeugen sollen, das Gelände gen Heimat zu verlassen, sind bemitleidenswerte Geschöpfe. Sturzbetrunkene Frauen wie ein Segler bei Windstärke 12 sind widerlich. Nur ihre Fettleibigkeit verhinderte den Sturz ins Bodenlose.

Ahnung von großen Konzerten und wie man sich einen Ort mit zauberhaftem Klangbild sucht, hat der Schreiberling keine, aber eine Freikarte gehabt.

Ergänzung vom 22.08.

Es ärgert mich, daß ich mir die Konzertkritiken jetzt schon selber schreiben muß, um zu wissen, wo ich gewesen bin.

Die Toten Hosen am Flughafen Tempelhof – lässig und souverän!
Soweit stimmt das ja noch. Das Ende des Artikel ist dann glattweg gelogen.
Zum Schluss wurde gemeinsam mit den Fans traditionell der Hosen-Klassiker „Schönen Gruß, auf Wiederseh’n“ intoniert. Die am lautesten gesungene Zeile: „Darum sagen wir: Auf Wiedersehn. Die Zeit mit euch war wunderschön.“ Oh ja, das war sie.
Das war nicht zum Schluß, sondern mitten im Konzert, kurz vor einer Teepause für die geschlauchten Bühnenkünstler. Danach kamen noch 6 Songs. Der Rausschmeißer war ein Finale furioso mit dem Eisgekühlten Bommerlunder.