1. Oktober 2023

Doku Deutschland: ein Salzsommelier im Gespräch

Stilübung

Salzsommelier: Er schlägt die passenden und exklusiven Salze aus verschiedenen Regionen der Erde vor und würzt die Gerichte – je nach Vorliebe der Gäste – direkt am Tisch.

Bernd Saltlie ist einer der führenden deutschen Salzsommeliers und berät die Betreiber der feinen Gastronomie und Privatpersonen zu allen Fragen des würzigen Lebens.

In einem launigen Gespräch, das sich am Ende als Monolog herausstellte, sprach er mit uns über die Geheimnisse seines Berufs.

Weißte, ich kann alles mit meinen Kunden machen, weil sie alles glauben. Wollen. Wenn ich zum vereinbarten Termin anrücke,lasseich sie erstmalzappeln. Sie wissen das nicht, aber ich weiß das. In aller Ruhe packe ich meine beiden Transporttaschen aus und drapiere sie in einer Art Schweigeorgie auf dem Tisch. Dann stelle ich es noch mal um, weil es so scheinbar besser aussieht. Da tue ich so, als ob ich die Lichtreflexe und -brechungen in den Gläsern und Salzkristallen begutachte.

Das Auge ist mit, weißte. Also muß das Auge auch das Licht des Salzes wahrnehmen, also der Kunde, dem ich kurz darauf beibringen werde, das gutes Salz wie ein funkelnder Diamant ist, nur vergänglich, weil magengängig. An der Stelle lachen sie dann immer. Es sind ja Köche, oder Hobbyköche oder steinreiche Langweiler, die bekocht werden und keine Ahnung haben. Das ist mir aber egal, ich werde dafür ja fürstlich bezahlt.

Höhepunkt fast jeder Séance ist ja jener Teil, wo ich ihnen beibringe, daß man die Farbe des Salzes schmecken kann. Es gibt ja von weiß bis schwarz so ziemlich jede Grundfarbe bei Salz, blaues, grünes, rotes, braunes, gelbes. Und dann lasse ich sie eben die Farben durchprobieren, ob sie festellen können, welche Färbung am besten schmeckt. Da gibt sich keiner die Blöße. Sie lernen ja auch jede Menge in meiner Veranstaltung, zum Beispiel, wie man das an die Gäste weitergibt. Meistens gewinnt das Blausalz, weil es dem Urzustand des Diamanten ähnelt. Mit Diamanten kennen sich ja die meisten meiner Kunden ganz gut aus, weil ihre Kundschaft diese offen zu Schau stellen. Nein, da geben die sich vor mir und vor ihrer Kundschaft keine Blöße.

Gnä' Frau, das Lammcarree an grünen Sparkelspitzen haben wir heue extra für sie mit persischem Blausalz gewürzt, weil das vorzüglich mit dem Farbenspiel Ihrer Brosche harmoniert, sag ich ihnen immer, sollen sie sagen, wenn sie persönlich am Tisch servieren. Sie sollen ein Korn des Salzes mit der beigelegten Salzpinzette, wir haben die auch in Bambus gnä' Frau, wenn ihnen das lieber ist, auf die Zungenspitze legen, auf den Übergang von der süßen zur salzigen Geschmacknervenzone, um den besonders zarten Schmelzvorgang des Korns sinnlich zu erfahren. Zuerst erscheint es als ein sehr starkes Salz, um relativ schnell in eine prickelnde Milde zu wechseln. Erst legt man einen Streife Karree nach und kaut ihn genüßlich im Nachgeschmack des hinwegschmelzenden Salzes. Eine Genuß, den man sonst nur in Persien noch zu schätzen weiß. Jahrtausende lange Tradition vergeht eben nicht in unseren schnelllebigen Zeiten.

ich sag ihnen auch immer,siemögen dasessen bedächtig servieren und mit einemschlemischen Fingerzeig singnalisieren, sie kämen gleich mit der Würze von's janze zurück. Kurz darauf tragen sie ein silbernes Tablett mit bleikristallfäßchen rein, in jeder Dose ein Salzin anderer Farbe.Dann erzählen siedenen von ihrer Oma, die das Gute Salz auch nur für den Sonntagsbraten verwendet hat. Ansonsten stand es verschlossen im Küchenschrank. Den guten Kaffee gab es ja uch nur am Wochenende, unter der Woche Muckefuck. Wehe, der Opa hätte den guten Kaffee im obersten Küchenfach entdeckt. Das hätte Streit ohne Ende gegeben, wieso er die Woche über solche Plörre trinken muß.

Kein Gemahl der Welt würde sich in diesem Augenblick trauen, in die Parade zu fahren und zu sagen: Was soll'n der Scheiß? Auch danach zu hause wäre Ruhe sanft, den was wäre denn die Konsequenz der Bemerkung: Der hat aber tüchtig Mist über's Salz erzählt? Im besten Fall: Recht hat erdoch, außerdem war es ein sehr schöner Abend, mit die Frau das Hauses das Thema auf ewig versenkt.

Einmal stand ich in der 100.000-Euro-Küche eines Milliardärs, in der er das Sagen hatte, nicht seine mit einem Pfund Spachtelmassse zur Mumie verschandelte Frau. Ich weiß alles über Milliardäre, seit ich dessen Frau dazu überreden konnte, statt auf Spachtelmaske auf Gurkenmaske in Edelsalz zu setzen, 12% Blausalz, 60% Himalajasalz, weil es das salzigste von allen ist, 20% Fleur de Sel, weil es das Blumige ins Spiel bringt, und dann noch 8% Aktivkohlesalz, das wirkt antibakteriell und entschlackend. Das kam damals richtig gut, daß ich ein jahr lang durch die deutschen Millionärsvillen und Penthouseetagen der Hotels gezogen bin und gelangweilte Frauen in die Geheimnisse der Kunst des Salzens einweihte.

Weißte, die wollen an was glauben und glauben es irgendwann auch, denn du stehst ja vor ihnen mit all deinen Näpfen und Schälchen, laberst sie eine Stunde lang zu, beziehst sie ein, indem du sie aus den Näpfen naschen läßt, schenkst ihnen zum Schluß ein kleines Faß Salz mit Holzlöffel, weil, das Holz nimmt den Geschmack des Salzes nicht an. Metall verbietet sich bei Salz, weil es reagieren kann und das Salz verfälscht. Sie glauben es, weil sie es glauben wollen.

Ich komme viel rum, werde fürstlich entlohnt. Warum sollte ich mir da 8 Stunden Schinderei jeden Tag antun?

Solange ich nicht verrate, wer alles zu meinen Kunden gehört, solange führe ich ein gutes Leben. Oder wie es im Landeswappen des Salzkammerguts heißt: Salz ist Salz. Wir lassen uns das Leben nicht versalzen.