2. April 2009

geriatrischer Abgesang

Ich gestehe mir zu, mich geirrt zu haben.

In wonniger Vorfreude schlurfte ich gen Konzerthalle, in der Hoffnung der Jüngste zu sein, mit einem Bouquet Frühlingsblumen begrüßt zu werden und einen Ehrenplatz bei der Veranstaltung zu bekommen. Ich erwartete eine Menge leicht besäuselter älterer Herren und einige wenige Anstandsdamen.

Nix da. Stattdessen war ich unter den letzten 10% der Ältesten und alle anderen eher dem jungen Volk zuzurechnen.

Es tat dem Musikereignis auch keinen Abbruch, daß laut eines meiner Nachbarn zwei Reihen vor mir ein Herr Jan Korte, Bundestagsabgeordneter ohne konkret nachweisbare Leistungen, gesessen hat. Die Freiheit, die sie meinen, schließt eben auch die Freiheit ein, ein Konzert eigener Wahl zu besuchen, ohen daß man eine Handhabe hat, dies bestimmten Menschen zu verwehren.

Ansonsten the same procedure as every year. Bob Dylan kam auf die Bühne, vergriff sich an der Gitarre, stellte diese drei Songs später in die Ecke und vergriff sich ab diesem Augenblick nicht mehr.

Vorab hatte er einen Stapel Notenblätter seines immensen Schaffens zerrissen, in die Luft geworfen, wieder aufgefangen und an die Band verteilt. Seht mal zu, was wir draus machen können.

Sie haben was draus gemacht.

Nach einer Stunde wachte ich wieder auf, was nicht böse gemeint ist, denn genau deswegen war ich ja da. Sich der Tonage hingeben und leicht wegsäuseln. Bis dahin hatte die Band die Noten langsam aber stetig gen Kracholymp gehievt und war auf diesem Weg ein gutes Stück vorangekommen. Und weils so gut lief, trieben sie den Sound stetig vor sich her, griffen jetzt richtig herzhaft in die Saiten und droschen auf's Bärenfell der Trommel, daß es nur so krachte. Jetzt gab's auch ordentlich was auf die Ohren.

Für einen Augenblick sah es so aus, als ob etliche der älteren Herren ihren Herzschrittmacher noch mal auf volle Pulle gestellt hatten. Der Eindruck konnte aber auch trügereisch sein, da ich unterm Hallendach in der letzte Reihe vor mich hin döste. "Hier flippt niemand aus", wurde mir nachbarschaftshilfreich bedeutet.

Kurze Pullerpause und dann gab's sogar zwei Lieder, die in früheren Zeiten von Bob Dylan gesungen wurden. Nur klang nur die Stimme wie Bob Dylan und der Sound wie neu.

Man muß schon sehr viel Souveränität über sein eigens Schaffen haben, damit das funktioniert.

Bei mir und, soweit ich es beurteilen kann, ganz vielen anderen hat das auch funktioniert.

Well done.