27. Dezember 2010

Chaos mit Ansage

SPIEGEL ONLINE 27. Dezember 2010, 00:00 Uhr
Bahn
Ausfall mit Ansage


Ich hatte ja am arbeitsfreien Wochenende noch einmal die Gelegenheit, mir ausführlich erklären zu lassen, wieso die Bahn in Nöten ist. Mein Rehkeulennachbar zur Rechten erzählte das so.

Vor einigen Wochen stand sein Chef in der großen Lokomotivenganzmachhalle, rieb sich freudig die Hände und meinte: So, nun kann der Winter kommen.

Wieso? Drehen sie sich mal um. Einmal ganz rum, um 360 Grad.

Ja und?

Hier sieht's genauso aus wie voriges Jahr. Da kann alles kommen, was will, nur nicht der Winter.


Erläuternd fügte er dann hinzu, daß die Chefs heutzutage alles Buchhalter sind. Da gibt es niemanden mehr mit ingenieurtechnischem Sachverstand, der fundierte Entscheidungen treffen kann. Die Entscheidungen werden nach Buchhaltungsstand getroffen.

Da muß z.B. ein Stromkontaktgeber ausgetauscht werden. Der sei nicht da, muß also bestellt werden. Es würde allerdings einer mit den und den Leistungsmerkmalen gebraucht.

Gibt es sowas?

Nö, muß angefertigt werden. Kostet 100 Euro, hält aber 20 Jahre.

Und der normale Ersatz?

Kostet 50 Euro und hält 2 Jahre.

Ja, aber wenn es den gewünschten nicht gibt, dann wird der lieferbare bestellt und eingebaut.

Alles klar, hören wir in zwei Jahren wieder voneinander.


Das soll heißen, daß es wesentlich nur 2 Naturereignisse und ein technisches für Bahnchaos gibt. Eisregen und Tornados. Da kann auch die beste Bahn nichts machen. Hinzu kommen plötzlich auftretende technische Pannen, wie sie überall passieren. Der Rest ist verwaltete Mangel- und Profitwirtschaft.

Im weiteren Verlauf des Essens wärmt man sich mit Erinnerungen an alte Ostzeiten (Eisenbahnmagazin aus Hamburg), als die Deutsche Reichsbahn auch im Winter fuhr.