29. März 2012

Die Ärzte oder Die Toten Hosen?

Weiß jemand, seit wann Menschen vor die knifflilge Entscheidung gestellt werden, sich zwingenderweise für ein Musikkapelle entscheiden zu müssen? Mein Erinnerungsvermögen ist leider getrübt, da es gerademal bis in die Schulzeit zurückreicht. Beatles oder Stones war die Frage. Allerdings ohne Bedeutung, da es mangels Erwerbsmöglichkeiten für die Platten oder Kon­zerttickets eine rein philosophische Frage war. Ohne praktische Relevanz.

Platten gab es schon. Die Amiga-Scheiben stehen heute noch in meinem Schrank. Habe ich die Schule schwänzen müssen, um in der nahe gelegenen Karl-Marx-Buchhandlung die 16,10 Deutsche Mark hinterlegen.

Platten auf dem Schulhof kaufen, das war möglich. Doch die 300 Ocken waren nicht drin. Hin und wieder durfte man sich eine ausborgen und auf Kassette archivieren. Oder man hatte die Möglichkeit, an Fehlpressungen bzw. Null-Serien von Amiga heranzukommen, die eigentlich nicht für die Weitergabe bestimmt waren, trotzdem verdunstet sind.

Eine seltener gestellte Frage lautete Puhdys oder Renft? Ging bei mir mit 0:1 für die Leipziger aus, denn die habe ich 1973 live gesehen, zu den Welt­fest­spielen. Es war wohl ihr letzter Auftritt, so ich keinen Gedächtnisschwund habe.

Kann es ein, daß die Frage nach der bevorzugten Musikkapelle eine zutiefst religiöse Angelegenheit ist, ein Phänomen, das Jahrhunderte alt ist?

Reduzier ich es auf die Kapelle, dann könnte ja die Frage lauten, ob man lieber in die evangelische oder katholische Kapelle beichten geht? Um sich sogleich die Köpfe einzuschlagen, wenn die Antwort nicht der persönlichen Präferenz entsprach?

Nun liegt sie wieder vor uns, die Gretchenfrage des musikalischen Geschmacks, da sowohl Die Ärzte als auch Die Toten Hosen ihre neuen Singels und Alben fast zeitgleich veröffentlichen.

Campino schleudert dem imaginären Madel entgegen Du fehlst, was Bela B. mit einem Will dich zurück kontert, um das Remis klarzumachen. 2 Bands, 2 Kerle, 2 Lieder, aber nur ein Thema. Die männliche Altersarmut.

Ich selber hatte nie im Leben das Problem, mich für nur eine der beiden Seiten entscheiden zu müssen. Ich konnte und habe immer beide Seiten gehört, weil mir beide zusagten. Mit Ausnahme von Frank Schöbel. Bei dem gab es keine Pistole-auf-die-Brust-Alternative. Der sang in seiner eigenen Schlager-Liga.

Insofern habe ich den direkten Draht zu den Künstlern gewählt und die Musikwerke käuflich erstanden, denn sie brauchen mein Geld. Damit sie auch weiterhin ihrem exzentrischen Hobby frönen können.

Wer das bessere Album auf unsere Ohren losläßt, das ist schwer zu sagen. Die Ärzte haben wie immer die subtileren Texte, bleiben jedoch ihrem Spaß-RockPopPunkSkaSchlager-Image treu. Die Hosen kommen sehr knackig, hart und geradlinig aus den Boxen gescheppert. So, wie man sie kennt. Und Campino freßreimt sein Verse. Auch wie immer. Was sich nicht reimt, wird reimig gemacht.