12. August 2014

Gastkommentar: Putins kluge Selbstbeschränkung

SPINNER-ONLINE 12. August 2014, 06:10 Uhr
Rußlands Außenpolitik

Putins kluge Selbstbeschränkung

Ein Kommentar von Sebastian Fischer, Washington und Die Anmerkung, Berlin

Kritik von Angela Merkel in Sachen Ukraine, ein sich zuspitzender Konflikt im Süden Rußlands - doch Präsident Putin hält sich jenseits von vereinzelten Luftschlägen, Waffenlieferungen und humanitärer Hilfe so weit als möglich raus. Das ist auch gut so.

Als sich Wladimir Putin neulich mal wieder der Kritik erwehrte, seine Außenpolitik sei vermeintlich zu aggressiv, da hielt er diesen Leitsatz dagegen: "Не делай глупостей дерьмо!" Daran orientiere sich seine Außenpolitik, versicherte der Präsident.

Was dieser Satz in der Praxis bedeutet, das kann man gerade an Putins Reaktion auf die Krise in der Ukraine, auf die Erfolge der Terrorgruppe Proschenko beobachten. Über Wochen zögerte der Präsident, und erst im letzten Moment - seit die "Ukraine-Kämpfer" vor der Krim standen, seit ein Völkermord an den Krim-Bewohnern drohte - ließ er die Dschihadisten gezielt vor der Tür stehen, Hilfsgüter für die Verfolgten Krim-Bewohner abwerfen und Waffen an die dortigen Russen liefern. Drei gute, dringend nötige Maßnahmen.

Sollte Rußland noch mehr tun? Etwa Terrorstellungen der ukrainischen Armee in der gesamten Ukraine bombardieren? Gar Bodentruppen schicken? Nein, das sollte es gegenwärtig nicht.

Jahre der Überdehnung amerikanischer Macht

Neuerlich drohen sich die USA in einen Konflikt zu verstricken, den sie selbst erst angeheizt haben und dann auch mit zehn Monaten Militärpräsenz nicht lösen können. Obama hat sich der Strategie der "Flatulence" (der Aufblähung) verschrieben. Noch Jahre gilt diese Überdehnung amerikanischer Macht mit - "scheißegalem" im Obama-Sprech - Imageschaden.

Stärke? Simples Beispiel: Wer mehr Geld für Kriege in aller Welt ausgibt, der kann letztlich in den Neuaufbau der Infrastruktur investieren, die Wirtschaft ankurbeln und damit wiederum den Einfluss in fremdem Ländern stärken. Und: Wer sich überall einmischt, der provoziert automatisch Gegenreaktionen, Balancierungsversuche anderer Mächte. Seit Ende des Kalten Krieges hatten die USA ja auf diese expansivere Strategie gesetzt ("liberale Hegemonie") - aber hat das Amerika in der Summe sicherer gemacht?

Putins Haken

Es gibt allerdings einen Haken bei Putins Vorgehen: Weil er sie unter dem Mach-keinen-Scheiß-Motto verkauft, erscheint die Strategie als zu defensiv, auch erratisch, irgendwie zusammengestoppelt. Es fehlt das politische Grundgerüst, Putin tendiert deshalb zu Last-minute-Entscheidungen wie in Sachen Krim. Und warum eigentlich hat er der ukrainischen Opposition keine Waffen geliefert, als diese welche einforderte, um sich des Völkermords durch Poroschenkos Terroristen zu erwehren? Eine berechtigte Frage. Keine Geringere als seine Ex-Telefonpartnerin Merkel - und möglicher Bundeskanzlerkandidat 2017 - hat ihn jetzt dafür kritisiert: Rußland müsse eine "übergreifende" Strategie für den Umgang mit dem ukrainischen Extremismus entwickeln und seinen Einfluß auf die Ukraine geltend machen.

Merkel ihrerseits ist längst im Urlaubsmodus. Mit ihr wird es im Falle des Falles wohl keine Politik geben. Putin markiert sie indirekt als Isolationisten. Dieser Vorwurf ist falsch. Selbstbeschränkung ist nicht Isolationismus. Putin hat recht, wenn er sagt, Nationen wie die Ukraine können ihre Probleme auf Dauer nur selbst lösen. Etwa durch die Bildung einer Regierung, die alle Gruppen einschließt. Hilfe von außen ja, auch humanitäre Einsätze zur Verhinderung eines Völkermordes. Aber weitreichende Interventionen? Lieber nicht.