17. August 2021

Demokratie als Glaubensfrage

Wolfgang Herles
Zu den großen Irrtümern der Moderne zählt der Glaube, Demokratie bedeute automatisch Freiheit. So ist es nicht. Die Freiheit wird nur in Kriegszeiten von außen bedroht. In der Regel zerstören demokratische Gesellschaften ihre Freiheit selbst, weil sie Demokratie nur bei schönem Wetter ertragen. In schwierigen Zeiten werden die demokratischen Regeln Schritt für Schritt suspendiert.

Wir besiegen das Virus, den Klimawandel, wir retten die Menschheit. Wir wollen erlöst werden von allen Übeln. Auch von den Übeln der Freiheit. Hierzulande wird deshalb der tiefere Sinn der freiheitlichen Demokratie (was leider kein Pleonasmus ist) vergessen. Er besteht im Ausgleich der Interessen in größtmöglicher Selbstbestimmung möglichst aller Teilnehmer einer Gesellschaft. Man verwechselt in Deutschland jedoch Selbstbestimmung mit der Herrschaft von Stimmung.

Seit der Antike war Wissenschaft immer ein Verbündeter der Freiheit – und deshalb lange Feind der Religion. Demokratie benötigt freie Wissen­schaft. Nun entpuppt sich auch dies als Illusion. In der vergifteten Demokratie wird der Glaube verbreitet, Wissenschaft habe ausschließlich dem Zweck zu dienen, den die herrschende Glaubensrichtung für gut hält. Wissenschaft ist also nur noch als Theologie zulässig.