18. Oktober 2024

Politik gegen die Bürger

Stilübung

Roberto De Lapuente

Am letzten Freitag kam der ukrainische Präsident in die bundesdeutsche Hauptstadt. ...

Man könnte von einer neuen Eskalation sprechen. Die Zufahrtswege zum Bahnhof waren stark ausgedünnt, auch Buslinien, die dorthin fahren sollten, fielen reihenweise aus. An jeder zweiten Straße, besonders auch an jenen, die unter der Stadtbahn durchführten, gab es Straßensperren und bewaffnete Polizeieinheiten standen teils provokativ davor.

Eine lahmgelegte Stadt – ein Land, das die Auswirkungen dieses Staatsbesuches an den Fahrplänen ablesen konnte: Es heißt zuweilen, dass sich gute Politik daran erkennen ließe, dass sie den Menschen nicht in die Quere kommt, ihren Alltag nicht allzu sehr störe. Wenn das zutrifft, kann man in etwa einschätzen, welche Art von Politik diese Bundesregierung und die ihnen unterstellten Behörden in der Hauptstadt machen. Sie zelebrieren eine Politik, die jeder spüren soll und die immer wieder in den Alltag der Bürger platzt – manchmal wie aus dem Nichts. Wie letzten Freitag in Berlin. Für Tausende Menschen bedeutete dieser Staatsbesuch das Ende ihrer Planungen und etliche Stunden Lebenszeitverlust. Sie kamen nicht zu ihrem Arbeitsplatz, Geschäftstermine platzten, Patienten schafften es nicht in die Klinik.

Ein Mann, der an seinem Rucksack einen kleinen Ukraine-Aufnäher trug, erklärte dem Verfasser dieses kurzen Berichtes, dass es sich um eine technische Störung handle. Diese Störung hieße Selensky, erwiderte jener Verfasser. Man nenne das dennoch eine technische Störung, antwortete der Ukrainebeflaggte.

Der Kanzler spricht von einer Meckerkultur, die es gar nicht gibt. Gäbe es sie, würden die Bürger Rabatz machen bei solchen Eingriffen gegen ihre Freiheit.

Ich kenne das. Ich war mal am Bahnhof Zoo und mußte umsteigen, als die Karawane mit Netanjahu durch die Stadt gelotst wurde. Das kostete mich etwa 15 Minuten, so daß ich noch ungefähr pünktlich zu einem vereinbarten Termin aufschlug.
Staatsbesuch in Berlin: Wie Netanjahu den Berliner Alltag durcheinander brachte
16.02.2016