5. Juni 2011

keine Sternstunde der Justiz

Zettel ist ja in vielen Dingen beizupflichten. Seine Analysen sind fundiert, klar strukturiert und logisch aufgebaut. Bezüglich des Freispruchs von Kachelmann, den er als "Sternstunde der Justiz" bezeichnet, irrt Zettel allerdings gewaltig. Er irrt insofern gewaltig, da er Moral und gültige Rechtsnormen miteinander vermengt.

Hier gab es verschiedene Faktoren, die eine unvoreingenommene Urteilsfindung erschwerten. Da waren der Übereifer einer offenbar überforderten und parteilichen Staatsanwaltschaft;

- die Person des Angeklagten, dessen zynischer Umgang mit Frauen, so wie er im Lauf des Prozesses bekannt wurde, nur allzu berechtigte Antipathien auslöst. Nicht wenige mögen sich gedacht haben: Ob er nun diese Tat begangen hat oder nicht - für die Art, wie er Frauen belog und hinterging, hat dieser Schurke allemal eine Verurteilung verdient.

- diese ganze verquere Beziehung zwischen den beiden Protagonisten - er spielte mit ihr wie mit vielen Frauen...


Ob Kachelmann mit Frauen zynisch umgegangen ist, entzieht sich auch der Kenntnis von Zettel und ist im übrigen für eine Urteilsfindung im vorliegenden Fall ohne jede Bedeutung gewesen. Ob Kachelmann die Frauen belog und hinterging, kann man ebenfalls unter den Tisch fallen lassen, das sind Dinge, die muß Kachelmann mit den Frauen alleine klären. Oder die Frauen mit Kachelmann.

Ob Kachelmann mit der Frau nur spielte, und dann auch noch verquer, so wie er mit vielen Frauen spielte (Zettel), ist ebenfalls dem Bereich der Spekulation entlehnt. Man kann es auch pragmatisch betrachten. Worum anders geht es eigentlich zwischen Männlein und Weiblein als um das miteinander Spielen?

Das sind alles Aspekte, die moraltheolgisch diskutiert werden können, sie wurden es ja auch, doch dies ist nicht das Spielfeld von Zettel, auf dem er sich für gewöhnlich bewegt. Das möge er bitte jenen überlassen, die das weitaus besser auf die Reihe kriegen.

Besonders fatal in seiner Analyse ist jedoch die Schlußfolgerung, die er aus dem von allen beteiligten Seiten medienwirksam inszenierten und genutzten Prozeß ableitet.

Am Ende setzt sich in der Regel die Wahrheit durch. So, wie in einer freien, rechtsstaatlichen Justiz in der Regel die Gerechtigkeit.

Am Ende setzt sich erstens immer der Stärkere durch. Und zweitens geht es in der Rechtsprechung nicht um Gerechtigkeit, ging es noch nie, sondern um eine den geltenden Rechtsnormen entsprechende Strafe. Oder auch nicht. Bestrafung hat nur selten etwas mit Gerechtigkeit zu tun.

Weitaus öfter als im Fall Kachelmann, in dem die Justiz ausnahmsweise mal gesternstundet hat, hat sie in ähnlich gelagerten Fällen katastrophal versagt.