Ich habe jetzt ein Ronzheimer-Fahrrad, also ein hypersonisches E-Bike, das dermaßen schnell ist, daß ich ein Reduzierstück benötige, welches die Geschwindigkeit etweas mindert, mit der der Hintern auf die Schockwellen des Asphalts gedroschen wird. Das Teil wird statt eines Sattelrohrs in die vorgesehene Führung gesteckt, um dann eine gefederte Sattelstütze der Wahl aufzunehmen, ihr stabilen Halt zu verleihen. Die Dinger gibt es nicht in 30,4 mm. In 30,9 mm habe ich ja, stelle es mir allerdings schwierig vor, das in ein 30,4er Loch zu stöpseln.
Das kam so.
Ich hatte mein Arbeitspferd, den alten Klepper, gewogen. Im fahrbereiten Zustand sind das 28 Kilogramm, die ich aus dem Keller auf Fahrbahnniveau hieven muß, was mir zunehmend schwer fiel, zumal in diesem Jahr die Fahrgelegenheiten rar gesät waren, da sich das Wetter erst vor wenigen Tagen jenseits der 15-Grad-Marke stabilisert hat, bei der für mich Radeln überhaupt erst attraktiv wird.
Ergo hatt ich den ganzen Winter, der in Berlin bis Anfang Mai dauerte, Zeit, mich der Recherche zu befleißigen, was es denn sein darf.
1. Leicht muß es sein.
2. Die Kosten müssen erträglich sein.
Der erste Punkt war ein Problem, denn viele Hersteller von elektrisch angetriebenen Fahrrädern geben über das Gewicht ihrer Wunderwerke keine Auskunft. Insofern artete die Recherche in Mühsal aus, da immer wieder mal eines der auserkorenen Metallteile aus der Liste fiel, da zu schwer.
Am Schluß blieb nur noch das Diamant 365 (17kg) bzw. 365 Deluxe (18kg) übrig, die beide mit mickrigem Akku zu gefallen wissen, was für mich wiederum bedeutet, daß ich damit gerade mal Marzahn durchqueren kann, zurück von Mahlsdorf aus dann womöglich S-Bahn nehmen muß.
Eine zweite Überlegung schleppte ich die ganze Zeit mit, obzwar große Zweifel bestanden, daß das für mich taugen würde. Ein Single-Speed-Rad, die ab ungefähr 14 kg zu haben sind, aber auch mal bis 19 kg aufgebläht werden können.
Es war schönes Wetter, das ich dazu nutzte, mal einen Fahrraddealer aufzusuchen, um mich praktisch schlau zu machen. Ich staunte nicht schlecht, als just das feuerwehrrote Diamant 365 mitnahmefertig vor meinen Augen stand, frisch aufgebaut. Und noch mehr staunte ich, daß mir erst im Laden das größte Manko auffiel. Der Akku ist nicht rausnehmbar. Damit fiel das Rad durch, auch wenn man es mit einem Range-Extender ausstatten kann.
Der Fahrrad-Dealer witterte ein Geschäft. Ich hatte ihm und seinem Praktikanten meine Probleme ausführlich dargelegt. Der Praktikant spitze die Ohren, die am Schluß groß wie bei einem Feldhasen waren, denn er hat ziemlich genau die gleichen physischen Probleme wie ich, nur noch nicht so ausgeprägt.
Der Dealer meinte dann aber, hier, das kann ich dir noch empfehlen. Ich sagte, das ist doch Single-Speed, da weiß ich doch gar nicht, ob ich die Übersetzung überhaupt noch treten kann, obwohl genau es das zweite Rad ist, das in meiner Recherche übrig geblieben war. Haste Ausweis mit, machste Probefahrt. Treten kannste das allemal.
Gesagt getan. Ich sattelte auf, suchte mir den nächstbesten langen Anstieg als Probestrecke, der sich 500 Meter steil bergan durch die Stadt wälzte, nein, nicht die Veteranenstraße, die ist kürzer, und rollte vom Kipppunkt zurück zum Geschäft, ohne nochmal in die Pedale zu treten.
Kurz darauf radelte ich gemütlich auf meinem neuen Elektrovelo heimwärts, ohne Gangschaltung, mit ein wenig Eletro unterm Arsch und die Brust wie ein stolzer Silberrücken rausgestreckt. Was für ein tolles Gefühl, das sich bei dieser Radelei entwickelt. Die Firmware des Motors ist dermaßen perfekt auf fluffiges Radeln abgestimmt, daß das System insgesamt eine ganze Nummer besser als Bosch ist. Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, ob man Arbeitspferd mit Bosch unterm Hintern hat, oder eine Gentleman-Rad mit Eleganz-Antrieb.
Jetzt sind noch ein paar Nacharbeiten fällig gewesen, so einen Gepäckträger ranzufummeln und die Gesäßschonung herbeizuschaffen. Das wird sicher wieder eine Suntour, denn mit der war ich mehr als zufrieden.
Ich habe jede Menge Geld gespart und mich gegenüber einem herkömmlichen E-Bike auch noch um eine ganze Klasse verbessert. Es macht so einem Spaß. Das ist richtig elender endgeiler Hyperscheiß, den ich da erworben habe.
Zwei Schlußbemerkungen. Ein E-Bike mit Gangschaltung ist natürlich leistungsfähiger, weil man bergab mit Rückenwind auch mal den schnellsten Gang reinwerfen kann. Das geht bei dem Single-Speed nicht, denn bei 25 km/h ist Sense. Dann tritt man in die Luft, denn die Übersetzung reicht nicht mehr, sich Geschwindigkeitszuwachs zu erarbeiten. Desgleichen bergan. Das neue Rad schafft angeblich bis 10% Rampe. Wenn die aber kilometerlang ist, dann hätte man wahrscheinlich doch gerne einen sehr kleine Übersetzung, um sich nicht der Quälerei an sich selbst schuldig zu machen.
Single-Speed heißt Genußradeln in der flachen Stadt und im Umland. Ob ich mit dem Rad den schönsten Punkt der Uckermark (das ist in dem Bild die Nr. 2) bezwänge, oder die Veteranenstraße, das steht in Zweifel.